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Unter der Rubrik Aus den Ländern beginnen wir mit Bremen. Birgit Muhl und die Sektion Schulpsychologie des BDP übersandten uns Zusammenfassungen zu Entwicklungen in Bremen seit 1964 bis 2015, die von Ihr und Dr. Jürgen Rudolph stammen. Mit freundlicher Genehmigung der beiden Autoren dürfen wir diese Texte veröffentlichen und wünschen euch viele Anregungen aus diesen historisch bedeutsamen Dokumenten.

Enthalten sind folgende Texte :

  1. "Entwicklungslinien der Schulpsychologischen Beratungsdienste in der Stadtgemeinde Bremen – Ist die Schulpsychologie in Bremen ein Opfer des Reformeifers der Bildungsbehörde geworden?" (1964 – 2010); Teil 1, Teil 2, Teil 3
  2. "Bremen weiterhin im Reformeifer : Die Einrichtung von Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) und regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ)" (2010 -2015) (Teil 1, Teil 2)
  3. "Schulpsychologie in Bremen – Quo vadis?" (1964 – 2015)
  4. Artikel "Der Schulpsychologische Dienst Bremen von 1964 bis 2007 - Die Einführung der psychologischen Schulberatung in Bremen" (Teil 1, Teil 2

Wir werden in den kommenden Wochen die Berichte Stück für Stück veröffentlichen und beginnen mit dem ersten. Entsprechend unserer internen Absprachen einer gendergerechten Sprache passen wir Text (ohne die Zitate) in ihrer Formulierung, jedoch nicht im Inhalt an (Anm. d. Red.) Doch nun zum ersten Teil der Serie Aus den Bundesländern - Bremen.

Teaser - Berichte aus Bremen - Teil 1

Muhl, B. (2022) Entwicklungslinien der Schulpsychologischen Beratungsdienste in der Stadtgemeinde Bremen - Ist die Schulpsychologie in Bremen ein Opfer des Reformeifers der Bildungsbehörde geworden?

Vorwort

Die Schulpsychologischen Beratungsdienste in der Stadtgemeinde Bremen haben eine rasante Entwicklung hinter sich; als Pioniere einer bislang unbekannten Beratungsform 1964 ins Leben gerufen und im Zuge der Bildungsreform weiter ausgebaut, finden sie sich Jahrzehnte später nach einer kurzen Übergangszeit in dem Zentrum für schülerbezogene Beratung (ZfsB) in den regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ) wieder, einem umfassenden Beratungs- und Unterstützungssystem. Den Zentralen Schulpsychologischen Dienst und die Schulpsycholog:innen an Schulen gibt es seit 2007 in Bremen nicht mehr. Es ist ein Anliegen dieses Berichts, die Entwicklung der Dienste und der dort Tätigen nachzuzeichnen und nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen, denn es liegt keine kontinuierliche Berichterstattung oder gar Chronik vor. Eine Weiterentwicklung wird auch zukünftig notwendig sein. Man kann allerdings die Gegenwart nur verstehen und die Zukunft gestalten, wenn man die Vergangenheit kennt.

1. Phase des Aufbaus der Beratungsdienste

Die Stadt Bremenhaven kann sich rühmen, 1959 die erste Schulpsychologische Beratungsstelle im Bundesland Bremen eingerichtet zu haben; die Stadtgemeinde Bremen folgte 1964. Maria Marschner, die Pionierin in Bremen, war von Haus aus Sozialpädagogin und Diplompsychologin; sie erhielt die "Stelle eines Schulpsychologen bei der Schulverwaltung"; als Referentin wurde ihre Stelle direkt unter dem Landesschulrat angesiedelt. In Abgrenzung zu den bereits bestehenden Erziehungsberatungsstellen sollte sie vornehmlich für die Unterstützung der Schulen zuständig sein; d.h. z.B. die Lehrkräfte bei Leistungs- und Disziplinfragen beraten und sie bei Fragen der Schulreife der Kinder vor der Einschulung und der Umschulung zur Sonderschule unterstützen.[^1]

Als erste Schulpsychologin war sie für alle Schulen und Lehrkräfte in Bremen für insgesamt 64636 Schüler:innen zuständig. In einem Rechenschaftsbericht faßt sie ihre Erfahrungen 1966 im Bremer Schulblatt zusammen: "Der Schulpsychologe ist beratend tätig, er erteilt keine Weisungen und entläßt den Lehrer nicht aus seiner pädagogischen Verantwortung für seine Schüler, sondern bemüht sich gemeinsam mit der Schule und dem Elternhaus um die Lösung der Probleme." Ihre Tätigkeit beginne dort, wo die "zumutbaren Grenzen der Lehrer" lägen. "Einzelne Schüler, die ihrem Lehrer wegen Leistungs- und Verhaltensschwierigkeiten Sorgen bereiten, ohne daß es ihm möglich ist, die Ursachen zu erkennen, werden untersucht und Lehrer und Eltern beraten. Mit Hilfe erprobter Methoden bemüht der schulpsychologische Dienst sich, das Kind in seinem Einzelschicksal und in seiner spezifischen Umwelt zu begreifen und daraus seine Schwierigkeiten und seine Stellung im Klassengefüge zu verstehen. Obwohl Schulpsychologie am Einzelfall ansetzt, ist sie nicht nur als eine individuelle Hilfe zu verstehen, sondern sie zielt in ihrem sozialpsychologischen Aspekt auf eine bessere Integration der Klasse als Unterrichtseinheit."[^2] Sie konnte nicht ahnen, wie wegweisend dieses Verständnis für die Schulpsychologie für die nächsten Jahrzehnte werden sollte.

Konkret wurde Maria Marschner überwiegend von Grundschullehrkräften bei allgemeinen und speziellen Leistungsproblemen wie LRS (Lese-Rechtschreibschwäche) und Rechenschwäche hinzugezogen, weiterhin bei emotionalen und sozialen Auffälligkeiten wie Schulangst, aggressivem Verhalten, Stören und Schulschwänzen. An Maßnahmen empfahl sie Umschulungen wie z.B. in die Sonderschule, bzw. Rückführungen von der Sonderschule in die Regelschule, Versetzungen in Nachbarschulen, Heim- und Internatsunterbringungen, sowie den Wechsel in Legastheniker:innenklassen und Einweisungen in die Jugendpsychiatrie.

Da der Zuspruch zu ihrer Arbeit groß war, wurde 1966 eine zweite Schulpsychologin eingestellt: Dagmar Friedrichsen. Als Berufseinsteigerin brachte sie Vorstellungen einer jüngeren Psycholog:innengeneration mit ein, die neben der Beratung und Begutachtung verstärkt auch therapeutische Aufgaben der Schulpsychologie umzusetzen suchte. Beide Schulpsychologinnen erhielten einen Schulbezirk zugewiesen, so dass sich das Verhältnis von Schüler:innen zur Schulpsychologin halbierte.

Als beide Frauen schwanger wurden, schieden sie aus dem Dienst aus; es gab noch nicht die Möglichkeit, für die Kindererziehung zu pausieren. Was umso bedauerlicher war, als dass die Nachfrage nach schulpsychologischer Beratung gestiegen war und Wartelisten eingerichtet werden mussten. Die beiden Schulpsychologinnen hatten eine breite Anerkennung gefunden und deutlich gemacht, dass ein großer Beratungsbedarf in den Schulen bestand.

2. Phase des Ausbaus der Beratungsdienste

2.1. Zentraler Schulpsychologischer Dienst

Die Nachfolge traten Ende 1968 Ellen Brockmann und Uwe Wiest an. Letzterer hatte bei Professor Reinhard Tausch in Hamburg studiert und schrieb bei ihm zu dem Zeitpunkt über das Thema "Lesenlernen im Vorschulalter" seine Promotion; er war stark von den Ideen der nicht direktiven Pädagogik und der klientenzentrierten Beratung nach Carl Rogers beeinflusst. Als Ellen Brockmann nach nur wenigen Jahren den Dienst verließ, folgte ihr Wulf Gagel, der eine tiefenpsychologische Fachorientierung einbrachte. Da der Bremer Norden noch komplett verwaist war, was die schulpsychologische Versorgung anging, wurde 1971 Peter Hegeler eingestellt, der das Team mit seiner verhaltenstherapeutischen Ausrichtung ergänzte. Parallel zum Zentralen Dienst kamen seit 1971 mit der Gründung von Integrierten Gesamtschulen Schulpsycholog:innen auch in größeren Modell- und Ganztagsschulen vor Ort zum Einsatz.

Im Zuge einer organisatorischen Neugestaltung innerhalb der Bildungsbehörde wurde 1973 der Schulpsychologische Dienst als Referat 42 in der Schulaufsichtsabteilung 4 eingerichtet; in das Referat wurden auch die Schullaufbahnberatung sowie die Drogenberatung aufgenommen. Die Schulpsycholog:innen an den Schulen waren zwar dienstrechtlich den jeweiligen Schulen zugeordnet, die Fachaufsicht erhielt hingegen Dr. Uwe Wiest, der Leiter des Zentralen Schulpsychologischen Dienstes geworden war.

Wie bei den Vorgängerinnen dominierte bei den Aufgaben der Schulpsychologen die Einzelfallhilfe; Anfang der 70er Jahre galt es v.a. Bildungsreserven durch diagnostische Untersuchungen zu entdecken. Daneben aber wurden schon schulpsychologische Aufgaben wie z.B. die Weitergabe von psychologischen Verfahren an Lehrkräfte, Unterstützung bei der Curriculumentwicklung und der Bildungsberatung, sowie Durchführung von empirischen Untersuchungen in das Aufgabenspektrum einbezogen.

Aufgrund der ständig steigenden Nachfrage nach schulpsychologischer Beratung wurden 1973 drei weitere Schulpsychologen eingestellt: Norbert Boyer, Karsten Koll und Dr. Jürgen Rudolph. Rückenwind gab es für den Ausbau des Schulpsychologischen Dienstes in diesen Jahren auch durch die Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates, der 1975 die Zuständigkeit einer Schulpsycholog:in für 15000 Schüler:innen empfahl, und 1980 die Relation auf 1:5000 Schüler:innen senkte.

Mit der Aufstockung der Stellen kam das Konzept der Regionalisierung auf, um eine bessere schulpsychologische Versorgung und Erreichbarkeit für die Schulen, die Eltern und die Schüler:innen zu gewährleisten. Ziel war es in dieser Phase, die Versorgung so auszurichten, dass durchschnittlich 2 Schulpsycholog:innen pro regionaler Beratungsstelle für alle allgemeinbildenden Schulen zuständig waren. Aufgrund der besonderen Bedarfssituation der berufsbildenden Schulen war die Bereitstellung einer Schulpsychologin ausschließlich für diesen Bereich vorgesehen worden.

Im Vorgriff auf die beabsichtigte Regionalisierung übernahm Dr. Jürgen Rudolph die Versorgung der Schulen im Westen, Norbert Boyer betreute die Schulen im Osten und Karsten Koll die Schulen im Süden; so wurden Dr. Uwe Wiest und Wulf Gagel stark entlastet, die für die Schulen im Bereich Mitte und Mitte/Ost zuständig blieben.

In der Folgezeit gelang es, über das ABM-Programm weitere Psychologinnen einzustellen; Hilde Husenbeth, Cornelia Markner und Brigitte Lück ergänzten 1978 das "Männerteam" der Schulpsychologie; für sie war es das Sprungbett zur Festein- stellung. Über das ABM-Programm und Stellentausch kamen wenige Jahre später weitere Psycholog:innen in den Schulpsychologischen Dienst: Hildburg de Boer, Ingrid Hildebrandt und Gudrun Steenken, sowie Irene Hasenberg und Walter Rokita. Mit ihnen gelang es, die schulpsychologische Versorgungssituation deutlich zu verbessern und die regionalen Beratungsstellen (Nord, Süd, Ost, Mitte-Ost, West) personell zu stärken.

Im Norden komplettierte Cornelia Markner das Team mit dem Schulpsychologen Peter Hegeler in der Beratungsstelle. 1980 zogen Norbert Boyer und *Hilde Husenbeth, später Thimme, in die neuen Beratungsräume der Grundschule in der Langemarckstraße im Süden; verstärkt wurden sie später durch Hildburg de Boer und Walter Rokita. 1980 fand sich auch in der Region West ein Team mit Dr. Jürgen Rudolph und Gudrun Steenken; letztere wechselte 1983 in die Region Ost, um zusammen mit Karsten Koll die Schulen im Bremer Osten zu betreuen, nachdem sie zwischendurch eine Schwangerschaftsvertretung im Norden übernommen hatte. 1988 folgte ihr Dr. Irene Hasenberg in der Beratungsstelle Ost, die in den Jahren zuvor am Schulzentrum Huchting tätig gewesen war. Während die Beratungsstelle Ost ihren Sitz in der Zentrale in der Straßburger Straße behielt, setzte sich Dr. Jürgen Rudolph vehement für eine Verlagerung seiner Beratungsstelle von der Zentrale in den Bremer Westen ein. 1988 gelang ihm endlich der Wechsel.

Für den Bereich der berufsbildenden Schulen wurde 1980 Brigitte Lück als allein zuständige Schulpsychologin eingesetzt; sie wechselte 1986 ihren Arbeitsplatz mit Peter Hegeler.

Qualifikation der Schulpsycholog:innen

Bei der ersten Stellenausschreibung für eine Schulpsycholog:in wurden die Voraussetzungen hoch angesetzt: ein Lehrerstudium mit 1. und 2. Staatsexamen, ein volles Psychologiestudium sowie Berufserfahrung im pädagogisch-psychologischen Bereich. Angesichts dieser Bedingungen mutete die Einstufung in die Besoldungsgruppe BAT III als unangemessen und schwer nachvollziehbar an, v.a. angesichts der üblichen Gehaltsstruktur der Verwaltung in der Bildungsbehörde. Bereits mit der Einstellung von Uwe Wiest war die Anforderung an zwei akademische Ausbildungen keine Voraussetzung mehr. Als die 3 Schulpsycholog:innenstellen im November 1973 im Weser-Kurier ausgeschrieben wurden, wurden als Voraussetzung genannt: das Diplom in Psychologie, Berufserfahrung und eine Therapieausbildung. Diesem Profil entsprechend wurde die Besoldung nach BATIIa/Ib und später nach A13/A14 eingestuft. In den Folgejahren wurden die Voraussetzungen weiter abgeschwächt; es war nunmehr ein Psychologiestudium Voraussetzung und gewünscht waren Berufserfahrungen. Die Diplom-Psycholog:innen, die eingestellt wurden, brachten in der Regel pädagogische oder / und psychotherapeutische Zusatzqualifikationen mit, bzw. sie erwarben sie im Laufe ihrer Tätigkeit. So war es auch kein Zufall, dass ein Großteil der Schulpsycholog:innen mit dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes 1999 die Approbation als Psychologische Psychotherapeut:in, bzw. als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:in erhielt.

Schulgesetzliche Verankerung der Beratung

Bereits 1976 legte der Leiter des Schulpsychologischen Dienstes, Dr. Uwe Wiest, der Behörde den Entwurf "Richtlinien für die Beratungsdienste in Schulen" vor, der die gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit aller Berater:innen bilden sollte. Der entscheidende Schritt zur gesetzlichen Verankerung der Schulpsychologischen Beratung erfolgte 1978, als der Anspruch auf Beratung ins Bremer Schulverwaltungsgesetz aufgenommen wurde. Zum ersten Mal wurden die Aufgaben, die Organisation und die besonderen Rechte und Pflichten der Berater:innen rechtlich festgeschrieben. Diese Vorgaben galten für alle Beratungsdienste.

Im § 11 des Bremischen Schulverwaltungsgesetzes hieß es:

Beratung hat zum Ziel, zur Förderung von Schülern beizutragen, die Entwicklung der Schule zu unterstützen, Schulprobleme zu verhindern und eingetretene Schul- schwierigkeiten zu beheben. [^3]

Danach ließen sich die schulpsychologischen Aufgaben unterteilen in:

Schülerzentrierte Beratung: Einzelfallhilfe
Schullaufbahnberatung
Schulzentrierte Beratung: Beratung von Lehrer:innen
Beratung der Institution Schule.

Weiter hieß es, dass die Beratung eine entsprechende fachliche Vorbildung voraussetze und die Berater:innen verpflichtet seien, sich entsprechend der fachlichen Aufgaben ihrer Beratungsdienste fortzubilden.

Zum 1. Mal auch wurden die Rechte und Pflichten der Berater:innen im SchVwG benannt:

Unbeschadet der beamten- und dienstrechtlichen Schweigepflicht unterliegen die Berater der besonderen Verschwiegenheit zur Wahrung des Persönlichkeitsschutzes der Betroffenen. Diese Verpflichtung gilt sowohl für persönliche Mitteilungen als auch für Daten, die im Rahmen von Tests und empirischen Felduntersuchungen erhoben werden...Von der besonderen Schweigepflicht können die Berater nur durch den Betroffenen befreit werden... [^4]

Grundverständnis Beratung

Wie der Leiter des Dienstes, Dr. Uwe Wiest, in seinem Tätigkeitsbericht über die Schulpsychologischen Dienste für die Deputation für Bildung 1981 ausführte, enthält der Begriff „Beratung“ mehrere Aspekte; er umfasse u.a.

  • die schulpsychologische "Datenerhebung", die der Beratung vorausgeht oder während des Gesprächs erfolgt; gemeint waren je nach Problemstellung z.B. die Unterrichtsbeobachtung, anamnestische Gespräche mit den Eltern, Lehrer:innen und Schüler:innen oder diagnostische Untersuchungen wie die Anwendung von Entwicklungs-, Intelligenz-, Fähigkeits- undLeistungstests, sowie die Anwendung von standardisierten Fragebögen, projektiven Verfahren und Explorationen.
  • "die Beratung selbst, das Gespräch als therapeutischer Vorgang";
  • "den Inhalt der Beratung, also die Klärung der Gedanken des Ratsuchenden, spezifische Vorschläge oder die Mitteilung von Ergebnissen der Daten- erhebung."[^5]

Ziel der Beratung sei es, mit dem Ratsuchenden durch eine veränderte Sicht auf seine Problemsituation Lösungsansätze zur Veränderung zu entwickeln. Das geschähe grundsätzlich durch

  • die "Übersetzung" der diagnostischen Ergebnisse, so dass Ratsuchende sie für sich verstehen und einordnen können,
  • spezifische Vorschläge, z.B. ein Plan zur Veränderung des eigenen Verhaltens im Lern- und Sozialbereich oder die Empfehlung, die Schullaufbahn zu wechseln,
  • ein therapeutisches Gespräch, was beinhalte, dass die Psycholog:in eine möglichst angstfreie Gesprächssituation schaffe, die es Ratsuchenden ermögliche, gegenwärtigen Gedanken und Gefühle zu klären.[^6]

Aufgaben : Schülerzentrierte Beratung

Den Hauptanteil schulpsychologischer Beratungstätigkeit nahm die Einzelfallhilfe ein, die auf die Beratung einer einzelnen Schüler:in, zentriert war. Ratsuchende konnten Lehrkräfte, Eltern, Schüler:innen sein, wobei der Zugang grundsätzlich für alle frei und direkt zugänglich sein sollte.

In der Mehrzahl gingen die Anmeldungen von den Schulen aus; an zweiter Stelle standen die Anmeldungen durch die Eltern.

Als Anmeldegründe wurden z.B. genannt:

  • allgemeine und spezifische (LRS, Mathematikschwäche) Lernschwierigkeiten
  • Verhaltensstörungen (aggressives Verhalten, gehemmtes Verhalten u.a.)
  • Unterrichtsstörungen
  • Angst, Schulangst
  • andere z.B. psychosomatische Störungen
  • Schulschwänzen
  • Erziehungsschwierigkeiten
  • Sonderschulbedürftigkeit
  • Nichtversetzung u.a.[^7]

Erfahrungsgemäß spiegelten die Anmeldegründe nicht in jedem Fall wider, um welche Problemlage es sich handelte; es konnte z.B. sein, dass eine Schüler:in wegen störenden Verhaltens im Unterricht gemeldet wurde und sich herausstellte, dass Lernschwierigkeiten vorlagen.

Je nach Problemlage war der zeitliche Aufwand für die Beratung unterschiedlich; einzelne Fälle ließen sich in einem Gespräch klären, in anderen Fällen waren neben umfangreicher Diagnostik weitere Beratungen erforderlich, bis hin zu therapeutischen Maßnahmen oder gemeinsamen Gesprächen mit Lehrkräften, Eltern und anderen Beteiligten.[^8]

Durchschnittlich enthielt ein Beratungsfall die folgenden Schritte und beanspruchte zwischen 10 – 15 Stunden.

1 Elternvorgespräch 1 Stunde
1 Testuntersuchung mit Auswertung 4 Stunden
1 Unterrichtsbeobachtung 2 Stunden
1 Beratungsgespräch mit Eltern 1 Stunde
1 Beratungsgespräch mit den Lehrkräften 1 Stunde
1 Beratungsgespräch mit der Schüler:in 1 Stunde
1 Vor- und Nachberatung der Gespräche 3 Stunden
13 Stunden

Eine besondere Rolle kam dem Schulpsychologischen Dienst bei der Entscheidung über die Aufnahme einer Schüler:in in die Sonderschule zu. In Zweifelsfällen oder auf Wunsch der Erziehungsberechtigten war ein Gutachten des Schulpsychologischen Dienstes einzuholen. Die Untersuchung bedurfte allerdings immer der Zustimmung der Erziehungsberechtigten“.[^9]

Kooperation mit anderen Beratungsdiensten

In der Einzelfallhilfe war die Kooperation mit anderen Beratungsdiensten, wie den Erziehungsberatungsstellen, dem Amt für Soziale Dienste, dem Jugendamt, dem Gesundheitsamt, dem Kinderzentrum der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie weiteren spezifischen Beratungs- und Fördereinrichtungen in den Regionen eine Notwendigkeit, um für Ratsuchende eine effiziente und nachhaltige Förderung und Unterstützung zu erreichen. [^10]

Schulzentrierte Beratung

Die Beratung der Lehrkräfte bezog sich meist nicht nur auf den Einzelfall, wie z.B. bei Disziplinproblemen in der Klasse oder bei Lernschwierigkeiten mehrerer Schüler:innen, sondern sie sollte auch dazu beitragen, die pädagogische Kompetenz der Lehrkräfte insgesamt zu verbessern und die berufliche Zufriedenheit zu erhöhen.[^11] Bei der Beratung der Schule als Institution konnte die Auftraggeber:in eine Lehrer:innengruppe, eine ganze Schule oder die Bildungsbehörde sein. Die Schulpsycholog:in konnte z.B. bei Problemen in der Zusammenarbeit der Lehrkräfte oder bei Konflikten zwischen Lehrkräften und Eltern hinzugezogen werden.

Die Schulpsycholog:in wurde außerdem bei der Erstellung von Beobachtungs- und Beurteilungsverfahren oder bei der Lernplanung beteiligt.

Auf Anfrage kamen die Schulpsycholog:innen auch zu Klassen- und Elternversammlungen, um über bestimmte Themen wie Hausaufgaben und Diebstähle zu referieren oder um Wege aufzuzeigen, mit Erziehungs- und Schulschwierigkeiten zurecht zu kommen.

Vereinzelt wurden die Schulpsycholog:innen von der Schulaufsicht zu Schulleiterkonferenzen eingeladen, um über ihre Arbeit zu referieren oder über bestimmte Schulprobleme zu berichten.[^12]

Schulpsycholog:innen waren außerdem an der Fortbildung von Lehrkräften und anderen Bezugsgruppen beteiligt, z.B. zum Thema der Lese- und Rechtschreibprobleme bei Grundschüler:innen.[^13]

Einen besonderen Stellenwert nahm seit den Anfangsgründen des Dienstes die Entwicklung testdiagnostischer Verfahren für die Schulen ein; zum einen zur Absicherung des Kenntnisstandes der Schüler:innen im Lesen und in der Rechtschreibung (Grundschule, Sekundarstufe I) und zum anderen zur Erfassung des türkischen und deutschen Wortschatzes von Kindern türkischer Eltern. Bei letzterem Vorhaben wurden die Schulpsycholog:innen von Nevin Lutz unterstützt, einer Muttersprachlerin, die als Lehrerin für Sonderpädagogik und Deutsch für Ausländer:innen in Bremen tätig war.[^14] Mit ihrer Hilfe entwickelte Dr. Uwe Wiest z.B. die "Normierte Erfassung des Wortschatz-Inventars für Kinder mit türkischer Muttersprache" und später das erste bremische Verfahren zur "Sprachstandsüberprüfung und Förderdiagnostik für Ausländer- und Aussiedlerkinder für Schulanfänger und Seiteneinsteiger in der Primarstufe."

Die Zusammenarbeit mit anderen Referaten des Senators für Bildung war in den Jahren unterschiedlich stark entwickelt. Eine Zusammenarbeit mit der Referentin für den Primarbereich ergab sich z.B. bei der Durchführung und Beurteilung des LRS-Screenings am Ende des 2. Schuljahres; oder die Schulpsychologen gaben Stellungnahmen zu den Grundschullehrplänen ab oder zu dem Problem "Beratung ausländischer Jugendlicher".[^15]

Für den Schulpsychologischen Dienst war es ohne Zweifel ein Höhepunkt, als im September 1977 die 3. Bundeskonferenz der Sektion Schulpsychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) in Bremen stattfand. Alle Bremer Schulpsycholog:innen beteiligten sich an der Ausrichtung der Konferenz. Sie bot dem jungen Dienst die Möglichkeit, die Bremer Schulpsychologie der Fachwelt vorzustellen. Inhaltlich stand die Konferenz unter dem Motto "Einzelfallübergreifende Beratung von Schule und Lehrer"; damit griff sie die innerhalb der Schulpsychologie intensiv geführte Diskussion über die Einzelfall- und Systemberatung auf. Sie resümierte: "...übereinstimmend wurde festgestellt, dass die Schulpsychologie über die unmittelbare Hilfe bei Schwierigkeiten des einzelnen Schülers hinaus Beiträge zur Verbesserung der allgemeinen Lernbedingungen in der Schule leisten muß und kann."[^16] Die geringen schulpsychologischen Ressourcen sollten nicht nur im Einzelfall zum Tragen kommen, sondern auch dazu beitragen, bessere Lernbedingungen für Schüler:innen und Lehrer:innen in der Schule zu schaffen. Als Referent:innen waren namhafte Größen vertreten, u.a. Prof. Reinhard Tausch aus Hamburg. Zum Abschluss der Konferenz gab es einen Empfang im Rathaus, und im weiteren Verlauf tauchten zu dem Thema Schulpsychologie vermehrt Artikel in der Bremer Presse auf.

Schulpsychologen und Schulpsychologinnen im Zentralen Schulpsycholo- gischen Dienst in Bremen - Regionale Schulsychologische Beratungsstellen (1968 – 2007)

  • Zentrale und Bereiche Mitte-Ost (seit 1980 Straßburger Straße 12): Dr. Uwe Wiest (1968-2007), Wulf Gagel (1971-2005), Peter Hegeler (2003-2007) , Wolfgang Spatzek (1989-2007)
  • Bereich Ost (seit 1980 Straßburger Straße 12): Karsten Koll (1973-2007), Gudrun Steenken (1983-1988), Dr. Irene Hasenberg (1988-1999)
  • Bereich Nord (Hermann-Wegener-Str. 5): Peter Hegeler (1971-1986), Cornelia Markner (1978-2007), Gudrun Steenken (1982- 83), Brigitte Lück (1986-89), Wolfgang Spatzek (1987-1988), Ingrid Lange-Schmidt (1989-1991), Hilde Thimme (1997-2007)
  • Bereich Süd (Langemarckstraße 113): Norbert Boyer (1973-2007), Hilde Thimme (1978-1989), Hildburg de Boer (1983- 1988), Walter Rokita (1987-2007), Brigitte Meyer-Becker (1989-1993), Ute Lohs (1995-1997)
  • Bereich West (Straßburger Straße 12, seit 1988 Ritter-Raschen-Straße 43-45): Dr. Jürgen Rudolph (1973-2007), Gudrun Steenken (1980-1982), Wolfgang Spatzek (1988-1989), Barbara Sanders (1989-2007)
  • Berufliche Schulen (seit 1980 Straßburger Straße 12): Brigitte Lück (1980-86), Peter Hegeler (1986-2001)

2.2 Schullaufbahnberatung

Angesichts der Ausdifferenzierung der schulischen Bildungsgänge entstand in den 70er Jahren bereits eine große Nachfrage nach Beratung bei Fragen der Schullaufbahn. Die Schulbehörde setzte dafür den Oberamtsrat Rudolf Reinke ein. Für ihn waren neben der Beratung im Einzelfall die zentralen Aufgaben der Schullaufbahnberatung die Aus- und Fortbildung von weiteren Lehrkräften zu Schullaufberater:innen sowie die Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit. Bis zu einem Viertel ihrer Unterrichtsverpflichtung sollten die Lehrkräfte für die Aufgabe der Schullaufbahnberatung vor Ort freigestellt werden, denn nur so sei seiner Meinung nach der Bildungsanspruch für Schüler:innen vor allem in Hauptschulen und Sonderschulen, sowie für Kinder ausländischer Arbeitnehmer:innen und Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag in den beruflichen Schulen zu wahren.[^17]

Nach seiner Pensionierung übernahmen 1987 und 1988 die beiden Lehrerinnen Ellen Kuppe und Frauke Schüdde-Schröter die Aufgaben. In der Zentrale des Schulpsychologischen Dienstes boten sie v.a. Schüler:innen älterer Jahrgänge und deren Eltern sowie Erwachsenen, die ihre Schulbildung vervollkommnen wollten, Beratungsgespräche an. Wenn eine Schüler:in sich z.B. über die zu wählende Schullaufbahn im Unklaren war oder auf der besuchten Schule Schwierigkeiten hatte, konnte sie sich an die Schullaufbahnberatung wenden. Ziel war, für die Schüler:in eine seinem Lernpotential und seinen Interessen entsprechende Beschulung herauszufinden, bzw. ggf. angemessene schulische Förderungsmöglichkeiten für sie aufzutun. Sie arbeiteten wie ihr Vorgänger eng mit den Lehrkräften zusammen, die an ausgewählten Schulen als Schullaufbahnberater:innen tätig waren, an die sich die Schüler vor Ort mit ihren Fragen wenden konnten. Und sie arbeiteten eng mit anderen Diensten zusammen; z.B. mit der Berufs- und der Studienberatung, aber v.a. mit den Schulpsycholog:innen, mit denen sie z.B. die Fragen angemessener Förderungsmöglichkeiten einer Schüler:in gemeinsam zu klären suchten.

Schulllaufbahnberater:innen

(seit 1980 Straßburger Str. 12)

  • Ellen Kuppe (Lehrerin, 1987-2007),
  • Frauke Schüdde-Schröter (Lehrerin, 1988-2007)

2.3. Referat für Angelegenheiten des Drogenmissbrauchs

Die Häufung massiver Drogenprobleme veranlasste die Bildungsbehörde 1972, ein neues Referat für "Angelegenheiten des Drogenmissbrauchs" einzurichten. Nach wechselnder Besetzung und kommissarischer Verwaltung kam eine Konstanz in diesen Aufgabenbereich, als der Schulpsychologe Rolf Günther 1977 die Arbeit übernahm. Da die Probleme in den Folgejahren nicht ab-, sondern zunahmen, wurden seit 1981 weitere Stellen geschaffen; es kamen der Psychologe Gregor Bitter, sowie die Diplompädagogin Brunhilde Christoph und der Lehrer Wolfgang Perplies hinzu. Nach dem frühen Tod von Wolfgang Perplies vervollständigten die Lehrerin Margrit Hasselmann und die Diplomsoziologin Liane Adam das Team. Sie entwickelten Unterrichtseinheiten für Schüler:innen und führten sie zum Teil selbst durch; außerdem versorgten sie die Schulen mit Informationsmaterial.

Wie die Mitarbeiter der Schullaufbahnberatung legten die Mitarbeiter des Drogenreferats ihren Schwerpunkt neben der Einzelberatung der Schüler:innen, Eltern und Lehrkräfte auf Informations- und Fortbildungsveranstaltungen sowie auf die Ausbildung und Betreuung von Kontaktlehrer:innen, die direkt in den Schulen tätig wurden. Die präventive Ausrichtung der Arbeit war ihnen wichtig. In den Klassengesprächen mit den Schüler:innen sollten diese erkennen, dass Drogenkonsum nicht Freiheit und Unabhängigkeit bedeutete, sondern Unfreiheit und Abhängigkeit. Ziel an den Elternabenden war, Eltern in die Lage zu versetzen, mit Drogenproblemen sachlich umzugehen. Und in der Arbeit mit den Lehrkräften lag ihnen daran, diese zu stärken, Schwierigkeiten ihrer Schüler:innen, die zum Drogenkonsum führen könnten, zu erkennen, aufzudecken und andere Lösungswege mit ihnen zu finden.[^18]

Schulpsychologen und Mitarbeiterinnen im Referat für Angelegenheiten des Drogenmissbrauchs (Langemarckstr. 113)

  • Rolf Günther (Dipl. Psychologe, 1977-2007),
  • Gregor Bitter (Dipl.Psychologe, 1982- 2007),
  • Brunhilde Christoph (Dipl. Pädagogin, 1982-2007),
  • Wolfgang Perplies (Lehrer, 1983-1988),
  • Margrit Hasselmann (Lehrerin, 1988-2007) und
  • Liane Adam (Dipl.Soziologin, 1997-2007)

2.4. Schulpsychologen und Schulpsychologinnen an Modell- und Ganztags- schulen

Nicht nur die Versorgungssituation des Zentralen Schulpsychologischen Dienstes mit seinen regionalen Beratungsstellen verbesserte sich, auch der Einsatz von Schulpsycholog:innen an Modell- und Gesamtschulen schritt voran. Um Gesamtschulen im Lande Bremen als Gegenentwurf zum dreigliedrigen Schulsystem erfolgreich zu etablieren, wurden in den 70er Jahren Beratungsdienste an Modell- und Ganztagsschulen eingerichtet. Schulpsycholog:innen arbeiteten mit Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen zusammen und bildeten die "Soziale Beratung" vor Ort, die zu dem Zeitpunkt ein Novum in Bremen war und mit den Zielsetzungen der Gesamtschule verknüpft war. Berater:innen aus verschiedenen Fachrichtungen, die verschiedenen Ressorts zugeordnet waren – die Schulpsycholog:innen und Sozialpädagog:innen dem Senator für Bildung, die Sozialarbeiter:innen dem Senator für Soziales, Jugend und Sport – arbeiteten als integrierte Arbeitsgruppe zusammen, um den Aufbauprozess der Schule zu unterstützen und allen an Schule Beteiligten, den Schüler:innen und deren Eltern, sowie den Lehrkräften Beratung vor Ort anzubieten.

"Gesamtschulen sind Modellschulen im Sekundarbereich... Sie haben die Aufgabe, neue pädagogische, didaktische und organisatorische Elemente zu entwickeln und zu erproben", hieß es im §10 des Bremischen Schulgesetzes; d.h. mit der Gründung der Gesamtschule wurde der bildungspolitische Auftrag erteilt, die Möglichkeiten der Gesamtschule als Modellschule für Schüler:innen optimal nutzbar zu machen.

1971 wurde im Bremer Westen die 1. Integrierte Gesamtschule (GSW) gegründet; ihr folgten 1972 die Gesamtschule Ost (GSO) und später der Schulverbund Lesum, das Schulzentrum Huchting sowie die Sonderschule für Entwicklungsgestörte an der Fritz-Gansberg-Straße. Die personelle Ausstattung der Beratungsdienste war keineswegs einheitlich; die Vorreiterschulen genossen eine Bevorzugung.[^19]

Schule Schulpsycholog:innen Sozialarbeiter:innen andere
Gesamtschule West 2/2 3 9 Sozialpädagog:innen
Gesamtschule Ost 1 2 13 Sozialpädagog:innen
Schulverbund Lesum 1 3 1 Kinder-Jugend-Therapeutin, 1 Bewegungstherapeutin
Schulzentrum Huchtig 1 2
Sonderschule an der Fritz-Gansberg-Straße 2 1 3 Sozailpädagog:innen

In einer noch späteren Phase kamen vereinzelt Schulpsycholog:innen an belasteten Schulen zum Einsatz: am Förderzentrum Burgdamm, am Förderzentrum am Oslebshauser Park, am Schulzentrum an der Pestalozzistraße, an der Gerhard-Rohlfs-Oberschule, an der Gesamtschule Mitte (GSM) und an der Grundschule am Halmer Weg. Zu einer Verstetigung und Einführung von Planstellen kam es in keinem Fall.

Aufgabenbereiche[^20]

Die Aufgabenschwerpunkte der Schulpsycholog:innen an den Schulen änderten sich im Laufe der Zeit. In der Gründungs- und Aufbauphase ging es z.B. der ersten Schulpsychologin an der GSW, Gabriele Reichel-Kaczenski, darum, sich an der konzeptionellen Arbeit der Schule zu beteiligen. Sie besuchte Modellschulen in anderen Bundesländern, um die organisatorischen und pädagogischen Konzepte der Schulen kennenzulernen, v.a. aber um Erfahrungen mit Förderkonzepten auszuwerten, denn als Mitglied der Sozialen Beratung war für sie ein vorangiges Ziel, die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Professionen zu regeln und zu einem effizienten Beratungsdienst aufzubauen.

In dieser Phase des Aufbauprozesses der Schulen richtete sich die Tätigkeit der Schulpsycholog:innen darüber hinaus stark auf Gruppenprozesse in den Klassen und den Lehrer:innenteams; sie koordinierten die Beratungs- und Förderansätze innerhalb eines Jahrgangs und zwischen den Jahrgängen. Sie beteiligten sich an Durchführung von Fördermaßnahmen wie z.B. LRS-Gruppen und therapeutisch orientierten Spielgruppen sowie an Elternkursen und Projekten. Die Nachfrage nach der Einzelfallberatung gab es ebenso von Anfang an; sie sollte aber erst in späteren Jahren dominieren. Der Schwerpunkt der diagnostischen Tätigkeit konzentrierte sich auf die neu aufgenommenen Jahrgänge, um allen Schüler:innen eine möglichst angemessene Beschulung und Förderung von Anfang an zukommen zu lassen. Die Nachfrage ging überwiegend von den Lehrkräften aus; sie konzentrierte sich auf Fragen des Leistungsbereichs, des Verhaltensbereichs und psychischer Auffälligkeiten, später auch des Drogenkonsums und der Schullaufbahn. Darüberhinaus entwickelten die Schulpsycholog:innen je nach den Anforderungen der jeweiligen Schule und eigener v.a. therapeutischer Orientierung Angebote und Projekte für Schüler:innen, für Eltern und Lehrkräfte vor Ort.

Die Nachfolgerinnen an der GSW, Barbara Sanders und Anja Boulboulle, teilten sich die Betreuung der Jahrgänge untereinander auf; Barbara Sanders richtete ihr Augenmerk in der Orientierungsstufe zusammen mit den Kolleg:innen der Sozialen Beratung auf die Zusammensetzung der neuen 5. Klassen; bei problematischen Zusammensetzungen wurden z.B. Umsetzungen von einzelnen Schüler:innen erörtert. Da die GSW häufig Kinder mit durchschnittlichen Lernmöglichkeiten, aber geringer häuslicher Unterstützung aufnahm, überprüfte sie in besonderen Fällen die intellektuelle Kapazität der Kinder, um geeignete Fördermöglichkeiten aufzuzeigen und entsprechende Empfehlungen für die Schullaufbahn zu geben. Die hohen Erwartungen der Eltern an Sonderförderungen überstiegen allerdings oftmals die Möglichkeiten der Schule; dies galt auch für leserechtschreibschwache Schüler:innen. Die zweite Schulpsychologin, Anja Boulboullé, hielt wöchentliche Besprechungen mit interessierten Lehrkräften ab, um z.B. bei Klassenkonflikten nach Veränderungsmöglichkeiten zu suchen. Sie nahm darüber hinaus möglichst oft an Stammgruppensitzungen teil und führte Lehrer:innenberatungen durch, in der die eigenen Erfahrungen als Schüler:in und als Lehrer:in vergegenwärtigt wurden.

Der Schulpsychologe der GSO, Ulf Bartel, beriet ebenfalls Schüler:innengruppen oder ganze Klassenverbände und Schulgremien. In Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen aus der Sozialberatung bot er den Lehrkräften Seminare zu ausgewählten Themen an und führte in Kooperation mit der Volkshochschule Familienseminare durch. Daneben betreute er auch einzelne Schüler:innen, die ihm gemeldet wurden, z.B. wegen Leistungsabfall, aggressivem Verhalten Mitschüler:innen oder Lehrkräften gegenüber oder jugendlichem Vandalismus.

Ein Arbeitsschwerpunkt des Schulpsychologen Klaus Ehl am Schulverbund Lesum lag, neben der engen Kooperation mit den einzelnen Jahrgängen auf Jahrgangskonferenzen und Hospitationen in den Klassen, auf der Behebung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten. Zusammen mit dem Deutsch-Fachleiter bildete er eine Arbeitsgruppe, die die Lehrkräfte mit Informationen und Materialien zu dem Themenkreis versorgte. In den Jahrgängen 8 und 9 betreute er zusammen mit einem Sozialarbeiter jahrzehntelang das Suchtpräventionsprojekt "Alkohol und andere Drogen", das in späteren Jahren für alle Jahrgänge von 5-10 um ein Raucherpräventionsprojekt erweitert wurde. Wie auch an der GSW lag der Schwerpunkt der Einzelbetreuungen in den unteren Jahrgängen: Die Sozialarbeiter:innen boten Gruppenbetreuungen an, der Schulpsychologe Klaus Ehl und die an der Schule tätige Kinder-und Jugendpsychotherapeutin, Sigrid Welder, Einzelbetreuungen.

Diagnostik und Beratung waren auch die Schwerpunkte der Arbeit der Schulpsychologin am Schulzentrum Huchting, Irene Hasenberg. Sie verwies darüberhinaus auf die Notwendigkeit längerer therapeutischer Betreuung von Kindern und Jugendlichen bei psychischen Störungen wie Depression und Alkoholismus oder Schulabsentismus. So machte sie den verschiedenen Gruppen an der Schule spezielle Angebote: ein Gruppentreffen für Schüler:innen mit Problemen im emotionalen und sozialen Bereich, ein Elternkreis für Eltern mit Kindern in Pubertätskrisen, und ein Treffen für Lehrkräfte mit dem Themenschwerpunkt Drogenmissbrauch. Rechtschreibschwache Schüler:innen wurden zudem einzeln oder zu zweit betreut.

Die therapeutische Betreuung der Schüler:innen vor Ort war auch ein Schwerpunkt der Tätigkeit der Schulpsycholog:innen Sabine Mersmeyer, Hilmar Schiemann, Georg Hoffmann und Ute Lohs an der Schule an der Fritz-Gansberg-Straße. Dies entsprach der Zielsetzung der Sonderschule für Entwicklungsgestörte, emotional und sozial schwer gestörte Kinder und Jugendliche wieder zum Besuch der Normalschule zu befähigen. Die Schulpsycholog:innen arbeiteten eng mit den Klassenteams zusammen, die aus den Klassenlehrer:innen, Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen bestanden. Aus den Teamgesprächen ergaben sich für sie die konkreten Aufgabenstellungen. Die LRS-Förderung gehörte ebenfalls zu ihrem Aufgabenbereich. In dieser Tradition standen auch die Psycholog:innen Wolfgang Steinig, Waltraud Döring und Gudrun Leuschner, die für einige Jahre oder mit einem begrenzten Kontingent an der Schule zum Einsatz kamen. Die therapeutische Orientierung der Arbeit der Sonderschule mit Kindern und Jugendlichen kam nicht nur an der Sonderschule selbst, sondern zudem auch an ihren Außenstellen an Grund- und Hauptschulen durch Lehrkräfte zum Tragen, die über eine therapeutische Zusatzausbildung verfügten.

Da die Schulpsycholog:innen im Vergleich zu ihren Kolleg:innen vom Zentralen Schulpsychologischen Dienst ihren Arbeitsplatz an der Schule selbst hatten, standen sie in enger Verbindung zu den Lehrkräften, Eltern und den Schüler:innen. Dadurch hatten sie auch die Chance, Beratungsfälle kontinuierlich und länger zu begleiten. Sie waren durchschnittlich für deutlich weniger Schüler:innen (ca 1600) zuständig als die Schulpsycholog:innen vom Zentralen Dienst (ca. 10500) und sie arbeiteten enger mit Berater:innen aus anderen Fachgebieten zusammen, da die z.T. ebenfalls ihren Arbeitsplatz an der Schule hatten. Allen Schulpsycholog:innen an Schulen gemein war, dass sie in die Schule eingebunden waren und somit regelmäßig an Sitzungen der Schulgremien teilnahmen. Andererseits ist anzumerken, dass die Schulpsycholog:innen vom Zentralen Dienst den Lehrkräften, Schüler:innen und Eltern ein hohes Maß an Anonymität boten, wenn sie es wünschten; d.h. dass die Schulpsycholog:innen ohne Kenntnis anderer Lehrkräfte oder Mitschüler:innen bzw. Eltern aufgesucht werden konnten.[^21]

Schulpsychologen und Schulpsychologinnen an Modell- und Ganztagsschulen

  • Gesamtschule West: Gabriele Reichel-Kaczenski (1972-1978), Barbara Sanders (1977-1989), Anja Boulboullé (1979-1983), Angelika Nebel (1983-1988), Birgit Muhl (1988-2007), Hilde Thimme (1989-1997)
  • Gesamtschule Ost: Eva Spannagel (1973-1978) Ulf Bartel (1978-2003)
  • Schulverbund Lesum: Klaus Sievers (1974-1978), Klaus Ehl (1979-2010) Sigrid Welder (Kinder-und Jugendpsychotherapeutin, 1977-1994)
  • Schulzentrum Huchting: Irene Hasenberg (1976-1988), Walter Rokita (1978-1986) Schule an der Fritz-Gansberg-Straße: Sabine Mersmeyer (1972-1994), Hilmar Schiemann (1975-2009), Wolfgang Steinig (1979-1982), Georg Hoffmann (1981- 2011), Waltraud Döring (1981-1983), Ute Lohs (1984-2008)
  • Gesamtschule Mitte (GSM): Wolfgang Spatzek (1989-1999)
  • Förderzentrum Burgdamm: Dr. Wolfgang Götz (1987-2002) Gerhard-Rohlfs-Oberschule: Dr. Jens Frommhold (1997-2007)
  • Schulzentrum an der Pestalozzistraße: Birgit Muhl (1987-1992)
  • Förderzentrum am Oslebshauser Park: Maria Ernesti-Malek (1988-1994) Grund-Schule am Halmer Weg: Gudrun Leuschner (1989-2005).

3. Phase des weiteren Ausbaus und der Spezialisierung

4. Bestrebungen der Umorganisation der Beratungsdienste

5. Neugründung: Zentrum für schülerbezogene Beratung (ZfsB) (2007 – 2010)

6. Kritischer Rückblick und Ausblick

Zu meiner Person: Ich bin von der Ausbildung her Lehrerin und Psychologin und habe therapeutische Zusatzausbildungen in Geprächspsychotherapie und systemischer Familientherapie gemacht. 2000 habe ich als Psychologische Psychotherapeutin die Approbation für Kinder, Jugendliche und Erwachsene erhalten. Seit 1987 bin ich als Schulpsychologin in Bremen tätig gewesen, zunächst als Schulpsychologin an Schulen im Bremer Westen, dann seit 2007 als Regionalteamleiterin des Zentrums für schüler:innenbezogene Beratung im Westen und darauf folgend von 2010 bis 2015 als stellvertretende ReBUZ-Leiterin im Westen. Berufspolitisch bin ich im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. organisiert; von 2001 bis 2005 war ich als Vorstandsmitglied der Landesgruppe Bremen und von 2002 bis 2015 als Landesbeauftragte der Sektion Schulpsychologie in Bremen aktiv.

Birgit Muhl

Literatur

[^1] Vgl. Bericht von Jürgen Rudolph, Der Schulpsychologische Dienst Bremen von 1964 bis 2007 – Ein Bericht. Manuskript Schulmuseum Bremen, 2020, S.3.

[^2] Maria Marschner, Zwei Jahre Schulpsychologischer Dienst in Bremen, in: Bremer Schul- blatt 1966, S. 63.

[^3 Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 5f.

[^4] vgl. § 11 Aufgabe, §12 Organisation der Beratung und §13 Besondere Rechte und Pflichten der Berater, in: Bremisches Schulverwaltungsgesetz (BremSchVwG), Teil 1 Schulverwal- tung 2. Abschnitt, Beratungsdienste im Schulwesen, 27.Juli 1978.

[^5] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S.6.

[^6] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 7.

[^7] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 12.

[^8] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 8.

[^9] Vgl. Verordnung über die sonderpädagogische Förderung an öffentlichen Schulen, §4 Abs. 3.

[^10] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 2.

[^11] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 6.

[^12] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 15.

[^13] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 12.

[^14] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 17.

[^15] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 15f.

[^16] Helmut Heyse, Paradigmenwechsel in der Schulpsychologie, in: Report Psychologie, Januar 1989, S. 35.

[^17] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 17ff.

[^18] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S.20.

[^19] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 21.

[^20] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 20-24.

[^21 ] Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Schulpsychologischen Beratungsdienste, in: Drucksache 10/566 der Bremischen Bürgerschaft, 13.07.81; S. 21.

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