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Unter der Rubrik Aus den Ländern schreibt Birgit Muhl über den Bremer Reformeifer und die Gründung der regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ). Den ersten teil finden Sie in diesem Artikel. Zusammen mit der Sektion Schulpsychologie des BDP stellten Sie uns Zusammenfassungen zur Verfügung, die wir mit freundlicher Genehmigung der Autoren veröffentlichen und nutzen dürfen.

Enthalten sind folgende Texte :

  1. "Entwicklungslinien der Schulpsychologischen Beratungsdienste in der Stadtgemeinde Bremen – Ist die Schulpsychologie in Bremen ein Opfer des Reformeifers der Bildungsbehörde geworden?" (1964 – 2010); Teil 1, Teil 2, Teil 3
  2. "Bremen weiterhin im Reformeifer : Die Einrichtung von Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) und regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ)" (2010 -2015); (Teil 1, Teil 2)
  3. "Schulpsychologie in Bremen – Quo vadis?" (1964 – 2015)
  4. Artikel "Der Schulpsychologische Dienst Bremen von 1964 bis 2007 - Die Einführung der psychologischen Schulberatung in Bremen" (Teil 1, Teil 2

Wir werden in den kommenden Wochen die Berichte Stück für Stück veröffentlichen. Entsprechend unserer internen Absprachen einer gendergerechten Sprache passen wir Text (ohne die Zitate) in ihrer Formulierung, jedoch nicht im Inhalt an (Anm. d. Red.). Doch nun zum zweiten Teil der Serie Aus den Bundesländern - Bremen.

Muhl, B. (2022) Bremen weiterhin im Reformeifer : Die Einrichtung von Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) und Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren

Schon knapp fünf Jahre nach Auflösung des Zentralen Schulpsychologischen Dienstes und der Einführung des Zentrums für schülerbezogene Beratung (ZfsB) erfolgte 2010 die nächste Umorganisation: die Einrichtung von Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) und Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ). Eine externe Begleitung und Einbeziehung der Mitarbeiter:innen in den Prozess gab es dieses Mal nicht. Katalysator für diese Entwicklung war der Inklusionsauftrag im Bildungswesen.

1. Der bildungspolitische Kontext

Nach der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich das deutsche Schulsystem zu einem inklusiven Schulsystem weiter zu entwickeln; d.h. dass behinderte und nicht behinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam unterrichtet werden sollen. Bereits 2008 hatte der bremische Bildungssenator den Auftrag an die Professoren Klaus Klemm und Ulf Preuss-Lausitz erteilt, ein "Gutachten zum Stand und zu den Perspektiven der sonderpädagogischen Förderung in den Schulen der Stadtgemeinde Bremen"[^1] zu erstellen. Das Gutachten von Klemm und Preuss-Lausitz ging davon aus, dass man mit den gleichen Ressourcen, die in Bremen bislang für die Schulen eingesetzt wurden, ein inklusives System aufbauen könne. Bedingung sei allerdings, dass die Umgestaltung zu einem inklusiven Schulsystem in einem Schritt erfolge. "Diesen radikalen Umbruch haben wir nicht gewagt, weil es schwierig wäre, so bei den Beteiligten genügend Akzeptanz zu erreichen,"[^2] gesteht im Nachhinein Cornelia von Ilsemann, die Leiterin der Abteilung für Bildung und Wissenschaft in Bremen. Die Bremer Bildungsbehörde entschied sich stattdessen, die inklusive Schule nach und nach, in einem Zeitraum von max. 10 Jahren, einzurichten; was zur Konsequenz hatte, dass die Kosten für die Umstellung steigen würden, solange ein Übergangssystem existierte.

Bremen ist mit dieser Entscheidung zum Vorreiter in Sachen Inklusion im Bildungsbereich geworden. Als erstes Bundesland hat es das Recht von Eltern auf eine inklusive Beschulung ihrer Kinder in dem Schulgesetz von 2009 verankert. Die konkreten Inklusionsschritte Bremens orientierten sich weitestgehend an den Empfehlungen von Klemm und Preuss-Lausitz.

Der Inklusionsprozess war zudem in einen groß angelegten Reformprozess des Bremer Schulsystems eingebettet; gemeint ist die Entwicklung des Sekundarbereichs hin zum 2 Säulenmodell; ab Klasse 5 sollte es nur noch Oberschulen und durchgehende Gymnasien geben, d.h. dass die Schulzentren, Sekundarschulen und integrierten Gesamtschulen aufgelöst werden sollten. In Bremen existierten fortan nur noch "Oberschulen", die nach KMK-Kriterien einer integrierten Gesamtschule entsprachen. Sie führten wie die Gymnasien in 8 oder 9 Jahren zum Abitur. Anstoß zu dieser Entwicklung hatten die Pisa-Ergebnisse gegeben. In einer bundesweiten Ergänzungsstudie zur ersten PISA-Erhebung kam Jürgen Baumert, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin, zu dem Ergebnis, "dass sich an Bremens Hauptschulen weitaus mehr problembelastete Schüler sammeln als irgendwo sonst in Deutschlands Schulen,"[^3] was sich negativ auf das Lernniveau auswirkte. Auf der Suche nach den Ursachen für die extrem schwierige Zusammensetzung von Bremens Haupt- und Realschülerschaft stieß der Forscher auf unerwartete Folgen einer gut gemeinten Schulpolitik. "In Ländern, in denen das Schulsystem über eine Dreierdifferenzierung hinaus geht, stellen sich solche Effekte ein,"[^4] war eine seiner Schlußfolgerungen; d.h. dass Regionen, die neben dem dreigliedrigen System von Haupt- und Realschule plus Gymnasium noch Gesamtschulen vorhielten, mit solchen Effekten zu tun hatten. Damit setzte sich die Idee des 2 Säulen-Modells durch.

Noch bevor es den offiziellen Auftrag der UN-Charta gab, sich zu einem inklusiven Schulsystem weiterzuentwickeln, hatte sich Bremen auf den Weg gemacht, integrierte Beschulungsformen einzuführen. Ende der 70er Jahre gab es erste Projekte zur Integration von Kindern an Grundschulen im Bremer Süden; seit Anfang der 90er Jahre wurden alle Schüler:innen an den Grundschulen (Kl.1-4) gemeinsam unterrichtet, bis auf ganz wenige Ausnahmen in den Spezial-Förderzentren (Hören, Sehen, körperlich-motorische Entwicklung). Im integrativen Unterricht wurden die Klassenlehrer:innen von Sonderpädagog:innen, die zu den bestehenden 11 Förderzentren gehörten, unterstützt. Kinder mit einem sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache und Verhalten (LSV) wurden erst ab Klasse 5 von den anderen Kindern und Jugendlichen getrennt im Förderzentrum (FÖZ) unterrichtet. Im Förderbereich Wahrnehmung und Entwicklung besuchten Kinder in der Grundschule und in der Sekundarstufe I sogenannte Koop-Klassen in Regelschulen. In diesen Klassen lernten bis zu 6 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Kooperation mit einer Regelklasse bei verringerter Klassenfrequenz. Mit anderen Worten: Der Inklusionsgedanke war bei Lehrkräften und den Eltern in den Bremer Schulen bereits verankert; die ersten Schritte zur Umsetzung einer inklusiven Beschulung waren bereits erfolgt.

2. Das Reformkonzept

Mit dem Inkrafttreten des Schulgesetzes 2009, das alle Bremer Schulen verpflichtete, sich zu inklusiven Schulen zu entwickeln, war der rechtliche Rahmen geschaffen. Nun galt es, Strukturen aufzubauen und die mit Inhalt zu füllen. Um den Inklusionsprozess an den Schulen zu unterstützen, wurden 2 neue Einrichtungen geschaffen: Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP), die jeweils an den einzelnen Schulen eingerichtet werden sollten, und Regionale Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ), die dezentral in 4 Regionen aufgebaut werden sollten. "Unter dem Entwicklungsziel einer inklusiven Schule sieht das Bremer Schulgesetz in der weitgehenden Auflösung der Förderzentren die Einrichtung von Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) sowie von Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ) vor."[^5]

Übersichtsgrafik - Das Unterstützersystem

Für die Schulen bedeutete das konkret, dass ab dem Schuljahr 2010/2011 alle Oberschulen vier bis fünf LSV-Kinder ab Klasse 5 aufzunehmen hatten, wobei es den Oberschulen überlassen blieb zu entscheiden, ob sie diese Kinder in einer Klasse unterbringen oder sie auf die Klassen im Jahrgang verteilen wollten. Es war vorgesehen, dass jede Oberschule eine Sonderpädagog:in pro Jahrgang zur Unterstützung erhielt. Sonderpädagog:innen sollten mit der Hälfte ihrer Stunden regulär unterrichten und mit der anderen Hälfte ihrer Stunden sonderpädagogische Aufgaben erfüllen; wie z.B. einzeln mit Kindern arbeiten sowie Lehrkräfte beraten und sie fortbilden.

3. Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) Unterstützungssysteme für die inklusive Schule

In den Schulen sollten „Zentren für unterstützende Pädagogik“ aufgebaut werden. Mit ihnen wurde eine neue Organisationseinheit geschaffen, die vergleichbar mit einer Fachkonferenz ist und eine eigene Leitung erhält, die Mitglied der Schulleitung wird.

In diesen Zentren sammeln sich Fachkräfte – u.a. Sonderpädagog:innen, Sozialpädagog:innen, Heilerzieher:innen u.a. – die als Personalmix das Kollegium und die Schüler:innen gezielt unterstützen sollen. Sie sollen sie bei spezifischen individuellen Lernausgangslagen beraten und Förderkonzepte entwickeln: wie z.B. bei der Lese-Rechtschreibschwäche, Rechenschwäche, Hochbegabung, Sprachförderung sowie bei sonderpädagogischen Förderbedarfen.

Zugrunde lag die Vorstellung, dass bei individuellen Problemlagen zunächst die Lehrkräfte vor Ort gefordert sind, sich mit der Leistungs- und persönlichen Situation der Schüler:innen zu beschäftigen, Förderpläne aufzustellen und Lösungen zusammen mit anderen Lehrkräften, Erziehungsberechtigten und ggf. unter Einbeziehung von externen Hilfen zu finden. Wenn der Erfolg ausbleiben sollte, d.h. die Problemlage fortbesteht, ist die Kooperation mit dem ZuP angesagt. Unter Einbeziehung weiterer Professionen (Sonderpädagog:innen, Pädagog:innen mit Spezialkompetenz, Sozialpädagog:innen etc.) sind diagnostische Untersuchungen zu machen, ggf. wird der sonderpädagogische Förderbedarf überprüft, der Förderplan verändert oder werden weitere Hilfsschritte eingeleitet. Wenn auch diese Schritte nicht ausreichen, soll eine Beratungsanfrage an das ReBUZ gestellt werden. Die Lehrkraft hat sich über die Schulleitung an das regional zuständige ReBUZ zu wenden. Die Schüler:innen und deren Eltern, bzw. Erziehungsberechtigte können sich hingegen direkt an das zuständige ReBUZ wenden. Daneben können auch Vertreter:innen anderer Institutionen den Kontakt zum ReBUZ direkt aufnehmen.

4. Regionale Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ) Unterstützungssysteme für die inklusive Schule

5. Kritischer Rückblick und Ausblick

Birgit Muhl, 2022

[^1] Klaus Klemm, Ulf Preuß-Lausitz, Gutachten zum Stand und zu den Perspektiven der sonderpädagogischen Förderung in den Schulen der Stadtgemeinde Bremen, 2008.

[^2] Cornelia von Ilsemann, Auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem – das Beispiel Bremen, in : Die UN-Konvention und ihre Folgen, hrsg. von Rolf Wernstedt und Marei John-Ohnesorg, Schriftreihe des Netzwerks Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2010, S. 66.

[^3] Weser-Kurier, 24.November 2006, S. 9.

[^4] Weser-Kurier, 24.November 2006, S. 9.

[^5] Vorlage der Senatorin für Bildung und Wissenschaft für die Sitzung der Deputation für Bildung am 04.08.2010, vgl. Konzept ReBUZ auf der Webseite der ReBUZ Bremen, S.3.

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