Aus dem Bereich historisch bedeutsame Dokumente der Schulpsychologie der Rubrik Aus den Ländern schreibt Birgit Muhl im dritten Text über den Werdegang der Bremer Schulpsychologie. Zusammen mit der Sektion Schulpsychologie des BDP stellte Sie uns Zusammenfassungen zur Verfügung, die wir mit freundlicher Genehmigung der Autoren veröffentlichen und nutzen dürfen.
Enthalten sind folgende Texte:
- Entwicklungslinien der Schulpsychologischen Beratungsdienste in der Stadtgemeinde Bremen – Ist die Schulpsychologie in Bremen ein Opfer des Reformeifers der Bildungsbehörde geworden?" (1964 – 2010); Teil 1, Teil 2, Teil 3
- "Bremen weiterhin im Reformeifer : Die Einrichtung von Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) und regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ)" (2010 -2015); (Teil 1, Teil 2)
- "Schulpsychologie in Bremen – Quo vadis?" (1964 – 2015)
- Artikel "Der Schulpsychologische Dienst Bremen von 1964 bis 2007 - Die Einführung der psychologischen Schulberatung in Bremen" (Teil 1, Teil 2
Lesen Sie im Folgenden Teil 3 der Reihe. In der folgenden Form wurden sprachliche Wendungen angepasst um die Vielfalt der Gesellschaft zu würdigen und diesem Ausdruck zu verleihen.
"Schulpsychologie in Bremen – Quo vadis?" (1964 – 2015)
Birgit Muhl (2022)
Die Stadt Bremerhaven kann sich rühmen, 1959 die erste Schulpsychologische Beratungsstelle im Bundesland Bremen eingerichtet zu haben; die Stadt Bremen folgte 1964. Im Zuge der Bildungsreform kam es zum weiteren Ausbau der Schulpsychologie in Bremen: Es entstanden regionale Beratungsstellen und Schulpsycholog:innen wurden in integrierten Beratungsdiensten in Schulen tätig. Heute sind diese Schulpsychologischen Beratungsdienste verschwunden, und an ihre Stelle sind 2010 regionale Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ) getreten. In diesem Zeitrahmen haben sich die Aufgaben der Schulpsychologie und die Organisationsformen sowie institutionellen Rahmenbedingungen, in denen die Aufgaben zu bewältigen waren, stark verändert. Der Rückblick mag dazu beitragen, die Entwicklungslinien der Schulpsychologischen Beratungsdienste in Bremen nachzuzeichnen und daraus Erkenntnisse zu gewinnen, die für die weitere Entwicklung der Schulpsychologie von Belang sein können.
Auf- und Ausbau der Schulpsychologischen Beratungsstellen in Bremen
Maria Marschner, die erste Schulpsychologin in der Stadtgemeinde Bremen, war von Haus aus Sozialpädagogin und Diplompsychologin; sie erhielt 1964 die "Stelle einer Schulpsycholog:in bei der Schulverwaltung"; als Referentin wurde ihre Stelle direkt unter dem Landesschulrat angesiedelt. In Abgrenzung zu den bereits bestehenden Erziehungsberatungsstellen sollte sie vornehmlich für die Unterstützung der Schulen zuständig sein; d.h. z.B. die Lehrkräfte bei Leistungs- und Disziplinfragen beraten und sie bei Fragen der Schulreife der Kinder vor der Einschulung und der Umschulung zur Sonderschule unterstützen.
Als erste Schulpsychologin war sie für alle Schulen und Lehrkräfte in Bremen und für insgesamt 64636 Schüler zuständig. In einem Rechenschaftsbericht faßt sie 1966 ihre Erfahrungen im Bremer Schulblatt zusammen: "Der Schulpsychologe ist beratend tätig, er erteilt keine Weisungen und entläßt den Lehrer nicht aus seiner pädagogischen Verantwortung für seine Schüler, sondern bemüht sich gemeinsam mit der Schule und dem Elternhaus um die Lösung der Probleme." Ihre Tätigkeit beginne dort, wo die "zumutbaren Grenzen der Lehrer" lägen. "Einzelne Schüler, die ihrem Lehrer wegen Leistungs- und Verhaltensschwierigkeiten Sorgen bereiten, ohne daß es ihm möglich ist, die Ursachen zu erkennen, werden untersucht und Lehrer und Eltern beraten. Mit Hilfe erprobter Methoden bemüht der schulpsychologische Dienst sich, das Kind in seinem Einzelschicksal und in seiner spezifischen Umwelt zu begreifen und daraus seine Schwierigkeiten und seine Stellung im Klassengefüge zu verstehen. Obwohl Schulpsychologie am Einzelfall ansetzt, ist sie nicht nur als eine individuelle Hilfe zu verstehen, sondern sie zielt in ihrem sozialpsychologischen Aspekt auf eine bessere Integration der Klasse als Unterrichtseinheit."[^1] Sie konnte nicht ahnen, wie wegweisend dieses Verständnis für die Schulpsychologie in Bremen für die nächsten Jahrzehnte werden sollte.
Konkret wurde Maria Marschner überwiegend von Grundschullehrkräften bei allgemeinen und speziellen Leistungsproblemen wie LRS (Lese-Rechtschreib-Schwäche) und Rechenschwäche hinzugezogen, weiterhin bei emotionalen und sozialen Auffälligkeiten wie Schulangst, aggressivem Verhalten, Stören und Schulschwänzen. An Maßnahmen empfahl sie Umschulungen wie z.B. in die Sonderschule, bzw. Rückführungen von der Sonderschule in die Regelschule, Versetzungen in Nachbarschulen, Heim- und Internatsunterbringungen, sowie den Wechsel in Legasthenikerklassen und Einweisungen in die Jugendpsychiatrie.
Da der Zuspruch zu ihrer Arbeit groß war, bekam sie 2 Jahre später eine Kollegin an die Seite gestellt. Als beide Frauen schwanger wurden, schieden sie aus dem Dienst aus, denn es gab noch nicht die Möglichkeit, für die Kindererziehung zu pausieren. Es ist ihr Verdienst, der Schulpsychologie in Bremen zu Anerkennung verholfen und deutlich gemacht zu haben, dass ein großer Beratungsbedarf an Schulen bestand. Dass der Ausbau der Schulpsychologie in Bremen seit 1968 einen enormen Aufschwung nahm, hing auch damit zusammen, dass gegen Ende der 60er Jahre der damalige Bildungsnotstand Reformen des Bildungssystems notwendig machte, die u.a. einen flächendeckenden Ausbau der Beratung im Schulwesen vorsahen. Der Deutsche Bildungsrat empfahl die Zuständigkeit einer Schulpsycholog:in für 15.000 Schüler bis 1975, und die Relation von 1: 5000 bis 1980.
1968 wurde Uwe Wiest als Nachfolger der beiden Frauen eingestellt. Während bei der ersten Stellenausschreibung für eine Schulpsycholog:in als Voraussetzungen noch genannt wurden: ein Lehrerstudium mit 1. und 2. Staatsexamen, ein volles Psychologiestudium sowie Berufserfahrung im pädagogisch-psychologischen Bereich, veränderten sich die Anforderungen bei seiner Einstellung auf: Diplom in Psychologie, Berufserfahrung und eine Therapieausbildung. Er war stark von den Ideen der nicht direktiven Pädagogik und der klientenzentrierten Beratung nach Carl Rogers beeinflusst und brachte dieses Verständnis in den weiteren Ausbau des schulpsychologischen Dienstes ein, dessen Leiter er wurde und bis zur Auflösung blieb. Unter seiner Führung wurden alle Schulpsycholog:innen rekrutiert, die in den folgenden Jahrzehnten im Schulpsychologischen Dienst in Bremen tätig wurden. Er erhielt die Dienst- und Fachaufsicht über sie. Die jungen Psycholog:innen belebten den Dienst durch ihre unterschiedlichen therapeutischen Ausrichtungen.[^2]
In der Bildungsbhörde wurde 1973 der "Schulpsychologischer Dienst" als Referat in der Schulaufsichtsabteilung eingerichtet. Aus der ehemals zentralen Beratungsstelle entstanden vier regionale Beratungsstellen (N, S, O, W) plus der Zentrale in der Mitte der Stadt. Zielvorstellung wurde, jede regionale Beratungsstelle mit mindestens 2 Schulpsycholog:innen auszustatten. In den 70er Jahren kam begünstigend hinzu, dass zusätzliche Kräfte über ABM-Stellen rekrutiert werden konnten. Für einige Psycholog:innen bahnte sich darüber die Festanstellung an.
Neben den Schulpsycholog:innen in den regionalen Beratungsstellen kamen Schulpsycholog:innen in Modell- und Ganztagsschulen zum Einsatz. Um Gesamtschulen im Lande Bremen als Gegenentwurf zum dreigliedrigen Schulsystem erfolgreich zu etablieren, wurden in den 70er Jahren Beratungsdienste an Modell- und Ganztagsschulen eingerichtet. Schulpsychologen arbeiteten mit Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen zusammen und bildeten die "Soziale Beratung" vor Ort, die zu dem Zeitpunkt ein Novum in Bremen war. Sie sollten den Aufbauprozess der Schule unterstützen und allen an Schule Beteiligten, den Schüler:innen und deren Eltern, sowie den Lehrkräften Beratung vor Ort anbieten.
Ein entscheidender Schritt zur gesetzlichen Verankerung der Schulpsychologischen Beratung erfolgte 1978, als der Anspruch auf Beratung ins Bremer Schulverwaltungsgesetz aufgenommen wurde. Zum ersten Mal wurden die Aufgaben, die Organisation und die besonderen Rechte und Pflichten der Berater:innen rechtlich festgeschrieben. Diese Vorgaben galten für alle Beratungsdienste.
Im § 11 des Bremischen Schulverwaltungsgesetzes hieß es: "Beratung hat zum Ziel, zur Förderung von Schülern beizutragen, die Entwicklung der Schule zu unterstützen, Schulprobleme zu verhindern und eingetretene Schulschwierigkeiten zu beheben."[^3]
Danach ließen sich die schulpsychologischen Aufgaben unterteilen in schüler:innenzentrierte Beratung: Einzelfallhilfe und Schullaufbahnberatung; und schulzentrierte Beratung: Beratung von Lehrer:innen und Beratung der Institution Schule. Es ist bedeutsam, dass in Bremen neben der traditionellen schüler:innenzentrierten Einzelfallberatung von Anfang an auch die Beratung des Systems Schule als Aufgabenfeld vorgesehen war, wenn auch die Einzelfallberatung dominierte.
Schulpsycholog:innen diagnostizierten und berieten Schüler:innen und deren Eltern sowie für Lehrkräfte bei Fragen des Lern- und Leistungsbereichs, bei Verhaltensproblemen als auch bei emotionalen Auffälligkeiten; sie taten dies auf der Grundlage lerntheoretischer, kommunikationspsychologischer und psychotherapeutischer Konzepte und Techniken. Sie unterstützten darüberhinaus Schulen in ihrer Entwicklung, sie wirkten bei der Fort- und Ausbildung der Lehrkräfte mit und boten Supervison an. Sie unterstützten die einzelnen Abteilungen der Schulbehörde in ihren Aufgaben und beteiligten sich an wissenschaftlichen Untersuchungen, insbesondere an der Entwicklung testdiagnostischer Verfahren für die Schulen, wie z.B. Tests zur Absicherung des Kenntnisstandes der Schüler:innen im Lesen und in der Rechtschreibung (Grundschule, Sekundarstufe I) oder Tests zur Erfassung des türkischen und deutschen Wortschatzes von Kindern türkischer Eltern. Die Schulpsycholog:innen kooperierten darüberhinaus stadtteilorierentiert mit anderen Einrichtungen und Beratungsdiensten.
Die innerhalb der Schulpsycholog:innenzunft intensiv geführte Diskussion über Beratungskonzepte in den 80er Jahren fand auch in Bremen statt, doch die Konzeption vom "Paradigmenwechsel der Schulpsychologie": weg vom individuums- und symptomorientierten, klinischen Denken hin zum systemorientierten Denken, konnte sich in der reinen Form in Bremen nicht durchsetzen. Sie beeinflusste wohl die weitere Tätigkeit der Schulpsycholog:innen, die Dominanz der Einzelfallberatung war allerdings nie in Frage gestellt.
Ungeachtet der schulpsychologischen Diskussionen um Konzeptionen gab es immer wieder Bestrebungen, forciert auch von der Behörde, eine Spezialisierung der Aufgaben unter den Schulpsycholog:innen voranzutreiben; sollte heißen, dass sich die Schulpsycholog:innen neben ihren Schwerpunktaufgaben mit Lern- und Leistungsschwierigkeiten und emotionalen und sozialen Auffälligkeiten von Schüler:innen auf einzelne Fachthemen spezialisieren sollten. Im Zentralen schulpsychologischen Dienst baute man die Bereiche der Förderung und der Supervision sowie den Bereich der Sekten und destruktive Kulte auf.
Die Entwicklung der Spezialisierung wurde v.a. auch am Förderzentrum für entwicklungsgestörte Schüler:innen vorangetrieben; es wurden Beratungsstellen für die Bereiche Autismus, LRS und Mathematik an der Schule geschaffen. Was den Umgang mit den speziellen Lernschwierigkeiten wie Lese-Rechtschreib-Schwäche und Mathematikschwäche anging, sahen sich allerdings gleichzeitig alle Schulpsycholog:innen in dem Zentralen Dienst wie in den Schulen als Ansprechpartner:innen. Einen besonderen Schwerpunkt setzten die Schulpsycholog:innen im Zentralen Dienst auf die Durchführung und Auswertung des LRS-Screenings, das sie für die Bremer Schüler:innen entwickelt hatten. Die Grundschullehrer:innen sollten einen guten Überblick über die Lese- und Rechtschreibleistungen ihrer Schüler:innen am Ende der 2. Klasse erhalten, um eine gezielte Förderung von einzelnen Schüler:innen vornehmen und um ihren Unterricht darauf aufbauend für die nächsten zwei Jahre ausrichten zu können.
In späteren Jahren zeichneten sich Ansätze von weiterer Spezialisierung mit der Einrichtung der "Beratungsstelle Besondere Begabungen" im Zentralen Dienst ab.
Eine besondere Aufmerksamkeit wurde dem Phänomen "Schulvermeidung" gewidmet, das der Politik und den Schulen seit Jahrzehnten im Nacken saß. Dem Problem mit Ordnungsmassnahmen zu begegnen, erwies sich nur in wenigen Fällen als erfolgreiche Strategie, zumal die genauere Analyse der Schulvermeidung verdeutlichte, dass ganz unterschiedliche Ursachen wie Schulschwänzen, Schulphobie und Schulangst dem Verhalten zugrundelagen. Dies führte dazu, dass 2001 in der Bildungsbehörde eine Beratungsstelle eingerichtet wurde, die sich ausschließlich mit diesem Phänomen beschäftigte. Eine Schulpsycholog:in des Zentralen Dienstes nahm die Herausforderung an und arbeitete an einem Modell mit, das zukunftsweisend für diesen Bereich sein sollte. Alle Akteure wurden an einen Tisch geholt: Die Schulen mit den Lehrkräften und sonstigem Personal, die Schüler:innen und die Erziehungsberechtigten, die Schulpsychologischen Dienste, die Schulärzt:innen, das Amt für Soziale Dienste mit den Sozialarbeiter:innen, die Polizei und weitere Dienste, die in der jeweiligen Region unterstützend tätig waren. In sog. Hilfskonferenzen, die regional regelmäßig stattfanden, wurden die Hintergründe der aktuellen Situation eines Kindes oder Jugendlichen erörtert und je nach Lage darauf aufbauend verbindliche Hilfsmassnahmen beschlossen. Es war auch die Geburtsstunde der sog. Schulvermeiderprojekte, die 2001 durch eine Kooperation der Ressorts Bildung, Soziales, Inneres und Justiz eingerichtet wurden und Schulvermeider:innen temporär beschulten.
Neben der zunehmenden Spezialisierung waren Projekte und Modellversuche verschiedenster thematischer Ausrichtung seit Jahren Teil der Arbeit der Schulpsycholog:innen. Sie waren Antworten auf Bedarfe, die von den Schulen angemeldet wurden und die dem zeitgenössischen Verständnis von Beratung entsprachen. So wurde in dem Zeitraum 1990 – 1992 der Modellversuch "Supervision" durchgeführt, bei dem Schulpsycholog:innen des Zentralen Dienstes, das Wissenschaftliche Institut für Schule (WIS) und die Universität Bremen kooperierten. Ein weiterer Modellversuch, der ebenfalls die Kompetenz der Lehrkräfte stärken sollte, war die Beratungslehrer:innenausbildung, die sich in den Nachbar-Bundesländern Hamburg und Niedersachsen schon seit Jahren etabliert hatte. Die zwei-jährige Fortbildung für Lehrkräfte zum "Erwerb einer pädagogisch-psychologischen Beratungskompetenz" begann mit dem Schuljahr 1995/96 und wurde in Kooperation des Schulpsychologischen Dienstes mit der Bildungsbehörde und dem WIS durchgeführt. Trotz der großen Resonanz und Nachfrage gab es nur eine Fortsetzung im Schuljahr 1997/98. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass keine Mittel mehr zur Verfügung ständen. Die enge Kooperation zwischen dem WIS, der Universität und dem Schulpsychologischen Dienst zeigte sich auch in der Mitwirkung der Schulpsycholog:innen bei der Schuelbegleitforschung. Sie haben an etlichen Projekten zu verschiedensten Themen teilgenommen.
Ein neues Aufgabenfeld, das wiederum alle Schulpsycholog:innen in Bremen betraf, ergab sich aufgrund aktueller Ereignisse. Seit dem Amoklauf eines Schülers in Erfurt (2002) hatte ein Umdenken eingesetzt, was die Handhabung von Krisenfällen in der Schule anging. Nicht mehr der Einzelfalleinsatz schien die adäquate Antwort auf solch ein Gewaltereignis, stattdessen wurde die gesamte Schule in den Fokus für eine Intervention genommen. Von bayrischen Schulpsycholog:innen, die in Erfurt im Einsatz gewesen waren, gingen die Impulse für das Konzept "Krisenmanagement in Schulen" aus; andere Bundesländer zogen nach. Bremen ließ sich etwas mehr Zeit.
Durch die gute Vernetzung der Bremer Schulpsycholog:innen mit Schulpsycholog:innen aus anderen Bundesländern gelang es, die bayrischen Schulpsycholog:innen zu einer Fortbildung ins Landesinstitut für Schule (LIS, früher WIS) nach Bremen zu holen und darauf aufbauend regionale Krisendienste im Laufe der Jahre aufzubauen.
Bestrebungen zur Umorganisation
Finanzprobleme der öffentlichen Hand und rückläufige Schüler:innenzahlen führten in den 80er Jahren dazu, dass der Ausbau der Schulpsycholog:innenstellen zum Stillstand kam, so dass die einst angepeilte Versorgungsdichte von 1: 5000 pro Psycholog:in zu Schüler:in nicht erreicht wurde. 1986 unterzog eine Arbeitsgruppe in der Senatskanzlei die Schulpsychologie und die Erziehungsberatung einer aufgabenkritischen Untersuchung und suchte nach Möglichkeiten, innerhalb der Neuordnung der Sozialen Dienste (NOSD) die verfügbaren Mittel mit möglichst großer Wirksamkeit einzusetzen. Sie empfahl die Zusammenlegung der Beratungsstellen. Nach ihrer Einschätzung hätten beide Dienste weitestgehend mit der gleichen Klientel und mit gleichen Problemlagen zu tun. Im Schulpsychologischen Dienst wehrte man sich mit den Hinweisen, dass der Schulpsychologische Dienst vorwiegend für schulische Problemlagen zuständig sei, derweil die Erziehungsberatung überwiegend mit familiären Problemlagen zu tun habe und dass beide Dienste den großen Nachfragen nicht gewachsen seien. Man sah in dem Vorschlag eher ein Sparkonzept als den Versuch, der Überlastung der beiden Dienste wirksam entgegen zu treten. Die Empfehlung wurde trotz der vorgegebenen Einsparquote des Senats und rückläufiger Schüler:innenzahlen nicht umgesetzt.
Haushaltspolitische Überlegungen des stark verschuldeten Bundeslandes Bremen und nicht zuletzt Spannungen zwischen der Bildungsbehörde und dem Schulpsychologischen Dienst trugen dazu bei, dass die Bestrebungen einer weiteren Umorganisation nicht abebbten. Als Bremen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs aufgefordert war, neben einer Optimierung der Dienste auf eine "Verschlankung öffentlicher Haushalte" hinzuwirken, kam die Idee der Zentralisierung des Dienstes auf. 1997/98 gab es konkrete Pläne, den gesamten Zentralen Schulpsychologischen Dienst zusammenzufassen und damit die Regionalisierung aufzugeben. Nur durch den Protest der Schulpsycholog:innen und v.a. der Schulleitungen wurde von diesem Plan Abstand genommen, da man die Nähe zu den Schulen erhalten wissen wollte.
1998 war der Zeitpunkt gekommen, dass eine grundlegende Organisationsveränderung in die Tat umgesetzt wurde. Im Rahmen einer Umgestaltung des Wissenschaftlichen Instituts für Lehrerfortbildung (WIS) wurde der Schulpsychologische Dienst aus der Behörde aus- und in das neu gegründete Landesinstitut für Schule (LIS) eingegliedert. Man erhoffte sich Synergieeffekte; eine Professionalisierung der Lehrkräfte durch stärkere fachliche Impulse in der Aus- und Fortbildung. Der Zentrale Schulpsychologische Dienst, die Schullaufbahnberatung sowie die Drogenberatung bildeten zusammen die Abteilung 4 im LIS, die dem Direktor direkt unterstand. Die Schulpsycholog:innen in Schulen blieben von dieser Umorganisation verschont. Der Leiter des Zentralen Dienstes, Dr. Uwe Wiest, blieb als Referent für Schulpsychologische Angelegenheiten in der Bildungsbehörde vertreten; er behielt auch die Fachaufsicht über alle Schulpsycholog:innen.
An der konkreten Arbeit des Zentralen Schulpsychologischen Dienstes änderte sich zunächst nicht viel. Die Schulpsycholog:innen blieben in ihren regionalen Beratungsstellen; sie waren für alle allgemeinbildenden Schulen in ihrem Bereich (N, S, O, W, Mitte-O) und die berufsbildenden Schulen zuständig; was sich veränderte, waren die erweiterten Aufgaben, die sie im Fortbildungsinstitut LIS bewerkstelligen sollten.
Ruhe kehrte indes nicht ein; die Fusionspläne mit der Erziehungsberatung waren noch nicht vom Tisch. So war es kein Zufall, dass im Jahre 2002 der Rechnungshof Bremen, der den Auftrag zu einem Prüfbericht über die "Ambulanten psychologischen Dienste für junge Menschen" erhalten hatte, zu dem Ergebnis kam, dass es angeraten sei, die regionalen Beratungsstellen des Schulpsychologischen Dienstes mit den Erziehungsberatungsstellen zu fusionieren. Es könnten sog. Doppelstrukturen vermieden und die Beratungsleistungen optimiert werden. Um darüberhinaus weitere Kosten zu sparen, empfahl er, Beratungsleistungen i.S. therapeutischer Angebote für Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern auszugliedern und sie ausschließlich von ambulanten psychologischen Praxen verrichten zu lassen, so dass die Krankenkassen die Kosten zu tragen hätten. Das Konzept der Fusion des Schulpsychologischen Dienstes mit den Erziehungsberatungsstellen wurde jahrelang in einer behördeninternen Arbeitsgruppe weiter verfolgt; umgesetzt wurde es letztendlich nicht, da bildungspolitische Impulse und Empfehlungen der Beratungsfirma Tormin zu einem Umdenken führten. Im Rahmen eines weiteren Organisationsprozesses im Landesinstitut für Schule (LIS), der von der Unternehmensberatung Tormin GmbH in den Jahren 2004 bis 2006 durchgeführt worden war, wurde für die Abteilung 4 die Empfehlung ausgesprochen, das Vorhaben der Fusion mit der Erziehungsberatung nicht weiter zu verfolgen und stattdessen eine Zentralstelle "Schüler:innenberatung" einzurichten, in der der Schulpsychologische Dienst, die Suchtprävention und andere Präventionsdienste, die Schullaufbahnberatung sowie sonstige schüler:innenbezogene Beratungsdienste zusammengeführt werden sollten. Diese Empfehlung griff die senatorische Bildungsbehörde letztlich auf und beerdigte damit die Fusionspläne mit der Erziehungsberatung ein für alle Mal. Sie plante die Zusammenführung aller schulischen Beratungsdienste allerdings im Rahmen einer grundlegenden Umgestaltung der Schulstruktur.
Den Anstoß dazu hatte die PISA-Studie gegeben. Sie hatte im Jahre 2000 offenbart, wie es um die Leistungsfähigkeit der Schüler:innen in Deutschland, und insbesondere in Bremen, bestellt war. In einer bundesweiten Ergänzungsstudie zur ersten PISA-Erhebung kam Jürgen Baumert, Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin, zu dem Ergebnis, dass die Probleme in Bremen deshalb so massiv aufträten, weil die Stadt ein prototypisches Ballungsgebiet sei. Praktisch alle sozialen Problemlagen träfen hier zusammen: hohe Zuwanderungsrate, Abwanderung bürgerlicher Schichten ins Umland, niedriges Leistungsniveau an Schulen und damit ein größerer Schüler:innen-Anteil im unteren Leistungsspektrum, v.a. in Haupt- und Realschulen. Auf der Suche nach den Ursachen für die extrem schwierige Zusammensetzung v.a. von Bremens Haupt- und Realschüler:innenschaft hob der Forscher die Schulstruktur Bremens hervor, die neben dem dreigliedrigen System von Haupt- und Realschule plus Gymnasium noch Gesamtschulen vorhielt. Damit setzte sich die Idee des 2 Säulen-Modells durch. Die Bremer Politik nahm die Hinweise auf und veränderte nach jahrelangen internen Diskussionen mit der neuen Schulreform 2007 den Sek-I-Bereich; fortan gab es in Bremen nur noch "Oberschulen", die nach KMK-Kriterien einer integrierten Gesamtschule entsprachen. Sie führten wie die Gymnasien in 8 oder 9 Jahren zum Abitur.
Gleichzeitig verknüpfte die Behörde mit der Umstrukturierung den Wunsch, ein in ihren Augen effektiveres Beratungssystem als Unterstützung für die Schulen einzurichten; die Zusammenlegung aller schulischen Beratungsdienste schien die Lösung zu sein, zumal es eine ähnliche Entwicklung in der Nachbarstadt Hamburg gab. Eine Arbeitsgruppe (AG 6) wurde ins Leben gerufen, die von einer externen Beraterfirma begleitet wurde. Professor Dr. Wilfried Schley und sein Partner vom Institut für Organisationsentwicklung und Systemberatung (IOS Schley und Partner GmbH (IOS)) aus Hamburg erschienen als die geeigneten Begleiter, da sie Jahre zuvor den Umstrukturierungsprozess im schulischen Bildungs- und Beratungswesen in Hamburg geleitet und über Jahre auch begleitet hatten. Man setzte auf ihre Erfahrung. Die Planung der neuen Beratungseinrichtung "Zentrum für schülerbezogene Beratung" (ZfsB) orientierte sich in starkem Maße an den Hamburger Erfahrungen im Umbau von Beratungseinrichtungen zu ReBUS (Regionale Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen) im Bildungsbereich. In dem neu zu schaffenden Beratungsinstitut Zentrum für schülerbezogene Beratung (ZfsB) sollten neben dem Zentralen Schulpsychologischen Dienst alle weiteren schul-, bzw. schüler:innenbezogenen Beratungs- und Präventionsangebote in Bremen unter einem Dach zusammengeführt werden. Beratung sollte aus einer Hand erfolgen, verbunden mit einem hohen Maß an Fachlichkeit. Man erhoffte sich durch die Bündelung der verschiedenen Dienste eine Effizienz- und Qualitätssteigerung. Die Bündelung der unterschiedlichen schulischen Beratungs- und Präventionsangebote in einem Zentrum sollte dazu beitragen, eine verbesserte Abstimmung der Arbeit auf fachlicher Ebene zu ermöglichen und Doppelarbeit zu vermeiden. Das Zentrum lasse auf organisatorischer Ebene eine bessere Steuerung zu und führe zu Synergieeffekten auch in finanzieller Hinsicht, hieß es in offiziellen Verlautbarungen.
Auflösung der Schulpsychologischen Beratungsdienste und Aufbau neuer Beratungseinrichtungen
Das Zentrum für schülerbezogene Beratung (ZfsB) wurde 2007 als eine Organisationseinheit des LIS geschaffen, als Abteilung 4, die dem Direktor des LIS unterstellt war. Das Zentrum für schülerbezogene Beratung selbst erhielt eine Gesamtleitung mit 4 Regionalzentren, in denen Teamleitungen für die regionalen Beratungsstellen Norden, Süden, Westen und Osten zuständig waren. Dies sollte eine enge Anbindung an die Schulen in der Region ermöglichen und die Zusammenarbeit mit der regional verantwortlichen Schulaufsicht und den Beratungsstellen der Ämter für Soziale Dienste, sowie weiteren Diensten in der Region erleichtern.
Konkret wurden die folgenden Beratungs- und Präventionsdienste in einem neu strukturierten Beratungsangebot zusammengeführt: der Zentrale Schulpsychologische Dienst, die Schulpsychog:innen aus den Modell- und Ganztagsschulen, die Schullaufbahnberatung, die LRS-Beratungsstelle, die Mathematik-Beratungsstelle, die Beratungsstelle Migration, die Beratungsstelle zur Förderung von Roma-Kindern, der Beratungsdienst Schulvermeidung, die sonderpädagogischen Beratungsstellen für Sprache und Entwicklungsgestörte sowie Teile der Suchtprävention. So kamen Kräfte aus verschiedenen Professionen mit unterschiedlichen Beratungskompetenzen zusammen: Schulpsycholog:innen, Sonderpädagog:innen, Lehrkräfte mit besonderen Qualifikationen, Sozialpädagog:innen, andere Professionen und Verwaltungskräfte. Sie alle sollten sich als Berater:innen verstehen. Vorgesehen war, dass sie in allen Aufgabenfeldern, die das ZfsB bot, in multiprofessionellen Teams zusammen arbeiten sollten.
Das Aufgabenspektrum des ZfsBs umfasste Beratung, Diagnostik, Prävention und Prozessbegleitung sowie in einzelnen Bereichen auch Förderung (z.B. LRS, Rechenschwäche). Um eine einheitliche Entwicklung dieser Aufgabenbereiche zu gewährleisten, wurde die Struktur der Fachteams geschaffen, die sich an den fachlichen Schwerpunkten des ZfsBs orientierte. Es wurden die folgenden Fachteams gebildet für:
- Sozial-emotionale Entwicklung, Lernentwicklung und besondere Entwicklungsauffälligkeiten
- Besondere Schwierigkeiten beim Lesenlernen (LRS)
- Besondere Schwierigkeiten beim Mathematiklernen/Rechenschwäche
- Besondere Begabungen
- Lautsprachentwicklung/Sprachheilpädagogik
- Migration/Integration von Kindern mit Migrationshintergrund
- Gewalt/Gewaltprävention
- Schullaufbahn und Übergänge
- Schulabsentismus/Schulvermeidung
- Sucht
- Krisen und Notfälle
In diesen Fachteams trafen sich die Mitarbeiter:innen regelmäßig. Somit hatte jede Mitarbeiter:in in einem Team demzufolge eine doppelte Rolle: einerseits regionale Ansprechpartner:in und Berater:in für Schulen und andererseits Expert:in für fachlich spezifische Aufgaben.
Mit der Gründung des Zentrums für schülerbezogene Beratung war ein System geschaffen worden, das multi-professionell, regionalisiert und schulnah aufgestellt war. Es verstand sich als ein unterstützendes, ambulantes, aufsuchendes und schulübergreifendes System. Es hieß ausdrücklich, dass das ZfsB subsidiär und komplementär arbeiten sollte; d.h. Beratung sollte dann erfolgen, wenn Schulen mit eigenen Mitteln nicht mehr weiter kämen. Dann sollte das ZfsB Schulen in der Bearbeitung problematischer Fälle unterstützen. Allerdings war auch vorgesehen, dass Schüler:innen, deren Eltern und Lehrkräfte sich direkt an das Zentrum wenden konnten.
Das Grundverständnis des neu gegründeten Zentrums war, dass die Schwierigkeiten eines Kindes oder Jugendlichen im Kontext seiner schulischen und außerschulischen Lebenssituation zu analysieren seien, um die komplexen Bedingungszusammenhänge zu verstehen und geeignete Hilfsansätze zu entwickeln. Je nach Problemlage würden neben der Schüler:in die Lehrkräfte, Mitschüler:innen, Eltern und andere Bezugspersonen in die Beratung einbezogen. Die Beratung sollte als Hilfe zur Selbsthilfe angelegt sein. Konkret bedeutete die Einrichtung des ZfsBs für die Schulpsycholog:innen, dass sie sich in neuen Leitungsstrukturen, mit neuen Kolleg:innen an neuen Arbeitsplätzen wiederfanden und sich z.T. auf neue Aufgaben einzustellen hatten. Der Zuschnitt der Regionen entsprach im Wesentlichen den Zuständigkeitsgebieten der regionalen Beratungsstellen des Zentralen Schulpsychologischen Dienstes. Der Zentrale Schulpsychologische Dienst hörte auf zu existieren; die Schulen verloren ihre Schulpsycholog:innen.
Schon knapp fünf Jahre nach Auflösung des Zentralen Schulpsychologischen Dienstes und der Einführung des Zentrums für schülerbezogene Beratung (ZfsB) erfolgte 2010 die nächste Umorganisation: die Einrichtung von Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ). Eine externe Begleitung und Einbeziehung der Mitarbeiter:innen in den Prozess gab es dieses Mal nicht. Katalysator für diese Entwicklung war der Inklusionsauftrag im Bildungswesen. Nach der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich das deutsche Schulsystem zu einem inklusiven Schulsystem weiter zu entwickeln; d.h. dass behinderte und nicht behinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam unterrichtet werden sollen.
Um den Inklusionsprozess an den Schulen zu unterstützen, wurde in Bremen neben den Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ), die dezentral in 4 Regionen aufgebaut werden sollten, noch eine weitere Einrichtung geschaffen: die Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP), die jeweils an den einzelnen Schulen eingerichtet werden sollten. Mit ihnen wurde eine neue Organisationseinheit geschaffen, die vergleichbar mit einer Fachkonferenz war und eine eigene Leitung erhielt, die Mitglied der Schulleitung wurde. In diesen Zentren sammelten sich Fachkräfte – u.a. Sonderpädagog:innen, Sozialpädagog:innen, Heilerzieher:innen u.a. – die als Personalmix das Kollegium und die Schüler:innen gezielt vor Ort unterstützen sollten. Sie sollten sie bei spezifischen individuellen Lernausgangslagen beraten und Förderkonzepte entwickeln: wie z.B. bei der Lese-Rechtschreibschwäche, Rechenschwäche, Hochbegabung, Sprachförderung sowie bei sonderpädagogischen Förderbedarfen. Zugrunde lag die Vorstellung, dass bei individuellen Problemlagen zunächst die Lehrkräfte vor Ort gefordert seien, sich mit der Leistungs- und persönlichen Situation der Schüler:innen zu beschäftigen und intern nach Lösungen zu suchen, v.a. in der Zusammenarbeit mit dem ZuP. So sind z.B. diagnostische Untersuchungen zu machen, ggf. ist der sonderpädagogische Förderbedarf zu überprüfen, der Förderplan zu verändern oder weitere Hilfsschritte einzuleiten. Wenn diese Schritte nicht ausreichen, soll eine Beratungsanfrage an das ReBUZ gestellt werden. Die Lehrkraft hat sich über die Schulleitung an das regional zuständige ReBUZ zu wenden. Im Gegensatz zu den Lehrkräften können sich die Schüler:innen und deren Eltern, bzw. Erziehungsberechtigte direkt an das zuständige ReBUZ wenden. Daneben können auch Vertreter:innen anderer Institutionen den Kontakt zu ReBUZ direkt aufnehmen.
Die eigentliche Nachfolge-Organisation der Schulpsychologischen Beratungsdienste sind die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ). Sie wurden in das neu geschaffene Referat 25 "Schule und Jugendhilfe" in der Bildungsbehörde eingegliedert. Die ReBUZ-Einrichtungen wurden als nachgeordnete, nicht rechtsfähige Dienststellen der Senatorin für Bildung und Wissenschaft konzipiert und der dortigen Fachaufsicht ReBUZ unterstellt.
In den regionalen ReBUZ-Einrichtungen vereinen sich alle Beratungs- und Unterstützungsaufgaben des ehemaligen Zentrums für schülerbezogene Beratung, Aufgaben aus Teilen der sich auflösenden Förderzentren LSV, sofern sie nicht in den ZuPs der allgemeinbildenden Schule bearbeitet werden können, sowie Aufgaben des Förderzentrums (FÖZ) für entwicklungsgestörte Schüler:innen. Ausgenommen von der Auflösung der Förderzentren wurden die drei Spezial-Förderzentren; gemeint sind die FÖZ für blinde, gehörlose und schwer-, bzw. mehrfachbehinderte [Menschen] (anm. d. Red). Das FÖZ für entwicklungsgestörte Schüler:innen nahm eine Sonderstellung ein; zwar sollte auch dieses FÖZ mittel- und langfristig aufgelöst werden, doch sein Erhalt wurde im engen Zusammenhang mit dem Aufbau und den Kapazitäten der neu gegründeten Unterstützungseinrichtungen ZuP und ReBUZ gesehen. Und so existiert dieses Förderzentrum noch heute.
Die ReBUZ-Einrichtungen sind im Wesentlichen als ein Beratungs- und Unterstützungssystem für Schulen, Lehrkräfte sowie Schüler:innen und deren Eltern konzipiert worden. Ihre Aufgaben umfassen daher die Bereiche Beratung, Diagnostik, Intervention bei Krisen, Notfällen und Gewaltvorkommnissen; neu hinzugekommen ist der Bereich der schulischen (schulunterstützenden und schulersetzenden) Unterstüzungsmaßnahmen.[^4] Mit diesen schulunterstützenden und schulersetzenden Maßnahmen gehen die ReBUZ-Einrichtungen über ein reines Beratungs- und Unterstützungssystem hinaus. Nach §55 Abs. 4 des Bremer Schulgesetzes können Schüler:innen zur Erfüllung ihrer Schulpflicht vorübergehend von der Fachaufsicht einem ReBUZ zugewiesen und dort beschult werden, "wenn ihr oder sein Lern- und Sozialverhalten dies erforderlich macht oder von ihr oder ihm dauerhafte Störungen der Unterrichts- und Erziehungsarbeit in ihrer oder seiner Schule ausgehen..."[^5] Es wird dabei betont, dass ReBUZ keine Schule sei. Die Schüler:innen, die ihnen zugewiesen werden, bleiben Schüler:innen ihrer Stammschule.
Die 4 regionalen Beratungsstellen des Zentrums für schülerbezogene Beratung gingen nahtlos ins ReBUZ über und bildeten das Fundament der 4 ReBUZ- Einrichtungen. Veränderungen gab es in der Leitungsstruktur. Jede ReBUZ- Einrichtung erhielt eine eigenständige Leitung und eine Stellvertreter:in. Sie zusammen bildeten das ReBUZ- Leitungsteam. Die Leitungen rekrutierten sich fast ausschließlich aus ehemaligen FÖZ-Leiter:innen; zu Stellvertreter:innen wurden vornehmlich die Teamleitungen des aufgelösten ZfsBs ernannt.
In den ReBUZ-Einrichtungen arbeiten verschiedene Professionen zusammen. Ziel war es, alle Kompetenzen vorzuhalten, die bislang in dem ZfsB gebündelt worden waren, und die Kompetenzen zu erweitern, die mit der Auflösung der FÖZ freigesetzt worden waren: Schulpsycholog:innen, Lehrkräfte mit besonderen Fachkompetenzen, Sonderpädagog:innen, Sozialpädagog:innen und andere Professionen sowie Verwaltungskräfte. Bei den Schulpsycholog:innen erfolgte im ZfsB, bzw. im ReBUZ ein Generationswechsel. Die Mehrzahl von ihnen schied in der Phase des Zentrums für schülerbezogene Beratung aus, nur wenige gestalteten noch den Übergang zum ReBUZ mit. Ein umfangreicher Wissens- und Erfahrungstransfer unter den Schulpsycholog:innen konnte somit nicht zustande kommen.
Um ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz zu sichern und eine einheitliche Entwicklung der einzelnen ReBUZ-Einrichtungen zu gewährleisten, finden sich die Mitarbeiter:innen der einzelnen ReBUZ-Einrichtungen in Fachteams, Fachgruppen und Fachkreisen wieder. Die ReBUZ gehen damit über die Fachteams des ZfsBs hinaus; sie werden noch einmal weiter spezifiziert in Fachgruppen unterteilt, wobei Prinzip ist, darauf hinzuwirken, dass alle Professionen in fast allen Fachgruppen vertreten sind, um dem multiprofessionellen Anspruch zu genügen. Zusätzlich werden Fachkreise eingerichtet, in denen sich die Mitglieder einzelner Professionen wie die Schulpsycholog:innen und die Sonderpädagog:innen treffen, um fachspezifische Fragen, die nur eine Berufsgruppe betreffen und die nicht durch die Aufgaben der Fachteams abgedeckt sind, zu erörtern. Die Fachkreise existieren heute nicht mehr.[^6]
Dafür hat man, den aktuellen Bedürfnissen entsprechend, den neuen Themenkreis "psycho-soziale Entwicklung" aufgenommen: queeres Leben, Fragen nach der sexuellen und geschlechtlichen Identität können Gegenstand der Beratung sein.
Kritischer Rück- und Ausblick
Die Schulpsycholog:innen in Bremen haben bewegte Zeiten hinter sich. Als Pioniere einer neuen bislang unbekannten Beratungsform haben sie erfahren, wie herausfordernd und z.T. schwierig der Aufbau einer neuen Institution innerhalb der Bremer Bildungslandschaft war. Sie haben Freiraum für Entwicklungen auf den verschiedensten Arbeitsfeldern gehabt und sich immer wieder neuen Aufgaben gestellt, sie haben aber immer auch mit Einschränkungen leben müssen. Für ihre engagierte Arbeit haben sie viel positive Resonanz erhalten, aber auch massive Kritik, nicht zuletzt von ihrem Arbeitgeber, der Bildungsbehörde, der unter permanenten Sparzwängen und mit bildungspolitischem Reformeifer den schulpsychologischen Beratungsdiensten immer neue Herausforderungen und Veränderungen verordnete. Nach der Einrichtung des Zentrums für schülerbezogene Beratung (ZfsB) folgte nach nur wenigen Jahren 2010 unter der neuen Zielvorgabe "Inklusion" die Umorganisation zu den Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ). Als eine der wichtigsten Errungenschaften mag vielleicht angesehen werden, dass "Beratung" im Bremer Schulgesetz verankert worden ist; genauer noch, dass es ein gesichertes Recht auf eine schulpsychologische Beratung nach dem Schulverwaltungsgesetz (§ 14 (1) Brem Sch VwG) gibt.
Alle im Bildungsbereich existierenden Beratungsdienste in regionalen Zentren zu bündeln und die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen zu fördern, war ohne Zweifel ein großer Entwicklungsschritt und ein enormer institutioneller und personeller Kraftakt. Ergebnis war ein kompaktes, gut überschaubares Beratungsangebot für Eltern und Schüler:innen, sowie für Lehrkräfte und Schulen. Aus schulpsychologischer Sicht sind allerdings dabei Entscheidungen gefallen und Entwicklungen gefördert worden, die Fragen aufwerfen und der Überprüfung, bzw. der Veränderung bedürfen.
Stark hierarchische Organisationsstruktur – keine Ausgewogenheit der Säulen "Beratung und Unterstützung" sowie "schulunterstützende Maßnahmen." Was von Anfang an kritisch unter den Schulpsychologen bei der Gründung von ReBUZ-Einrichtungen gesehen wurde, war die neue Organisationsstruktur, die neue Hierarchien schuf, und die damit einhergehende Entscheidung der Behörde, die Leitung in überwiegend pädagogische, insbesondere sonderpädagogische Hände zu legen. "Beratung und Unterstützung" sowie "schulunterstützende Maßnahmen" wurden nicht wie gleichberechtigte Säulen der neuen Einrichtung behandelt: ehemalige Schulleiter:innen aus den Förderzentren (FÖZ) wurden fast ausschließlich als Leiter:innen der ReBUZ eingesetzt; die Regionalteamleiter:innen des ZfsBs wurden fast durchgängig stellvertretende Leitungen, was einer Ungleichbehandlung beider Säulen gleichkam und die bisherigen Erfahrungen und Leistungen der Schulpsychologischen Beratungsdienste und des Zentrums für schülerbezogene Beratung nicht hinreichend würdigte. Möglich wurde diese Entscheidung auch dadurch, dass man ReBUZ nicht im Landesinstitut für Schule (LIS), wie zuvor das Zentrum für schülerbezogene Beratung (ZfsB), sondern direkt in dem neu geschaffenen Referat der Behörde "Schule und Jugendhilfe" ansiedelte. Damit waren neue Strukturen geschaffen, die auch erlaubten, neue Leitungen einzusetzen. Die beiden anderen Stadtstaaten Hamburg und Berlin haben aus guten Gründen Modelle entwickelt, die die Gleichbehandlung beider Säulen sichern.
ReBUZ ist keine Schule, aber beschult - Verbindung von Beratung und Beschulung
ReBUZ die Durchführung schulunterstützender und befristeter schulersetzender Maßnahmen nach § 55 Absatz 4 des Bremischen Schulgesetzes zuzuweisen, ist grundsätzlich problematisch, da ReBUZ keine Schule, sondern im Kern ein Beratungs- und Unterstützungssystem sein soll. Die Bündelung der Aufgaben von Diagnostik, Begutachtung, Beratung und Durchführung der Beschulung in einer Institution ist in Frage zu stellen; sie ist dem fachlichen Erkenntnisstand nicht angemessen, urteilten schon Klemm und Preuss-Lausitz in ihrem Gutachten zum Stand und zu den Perspektiven der sonderpädagogischen Förderung in den Bremer Schulen.[^7] Im ZfsB waren diese Zweifel ebenfalls aufgetaucht, als die Beratungsstelle gegen Schulvermeidung in das Zentrum integriert wurde, obwohl klar war, dass Beratungsstandards wie Freiwilligkeit und Neutralität in diesem Arbeitsfeld nicht gelten könnten. Eine klare Trennung der verschiedenen Aufgaben innerhalb oder außerhalb der ReBUZ könnte ein Lösungsansatz sein, der eine Kooperation nach wie vor ermöglichte.
Kein direkter Zugang mehr zur schulpsychologischen Beratung für Lehrer:innen, Schüler:innen sowie Eltern Durch die Konstruktion des Zentrums für schülerbezogene Beratung und darauffolgend des ReBUZ als subsidiäres System ist nicht mehr gewährleistet, dass Lehrkräfte, Eltern und Schüler:innen einen unmittelbaren, direkten und niedrigschwelligen Zugang zu schulpsychologischen Beratungs- und Unterstützungsleistungen haben. Lehrkräfte sind angehalten, sich zunächst ans ZuP zu wenden und falls der Beratungsbedarf fortbesteht, über die ZuP-Leitung ans ReBUZ. Der für sie vorgezeichnete Weg über das ZuP, bzw. die ZuP-Leitung, kann als umständlich und widrig empfunden werden, wenn jemand explizit eine schulpsychologische Beratung wünscht, die im ZuP nicht vertreten ist. In einigen Fällen kann der Weg sogar kontraindiziert sein, dann nämlich, wenn Lehrkräfte sich scheuen, Unterstützung innerhalb der Schule einzufordern, sei es, weil sie befürchten, als inkompetent angesehen zu werden, sei es, weil das Vertrauen in eine gute Zusammenarbeit mit den Kräften vor Ort fehlte. Schulpsychologische Beratung sollte niedrigschwellig zugänglich und unabhängig sein und in einem geschützten Rahmen stattfinden. Aber auch für die Kinder und Jugendlichen und deren Eltern ist der Zugang zu einer schulpsychologischen Beratung nicht gesichert. Je nachdem, was als Anmeldegrund angegeben wird, kann er oder sie auf einen Berater treffen, der zwar derselben Fachgruppe und demselben Fachteam zugeordnet ist, aber eine andere professionelle Ausbildung besitzt. Kinder und Eltern haben im ReBUZ kein gesichertes Recht mehr auf eine schulpsychologische Beratung, obwohl das ihnen nach dem Schulverwaltungsgesetz (§ 14 (1) Brem Sch VwG) zusteht.
Infragestellung der Grundprinzipien der Beratung
Die Zusammenführung verschiedener Professionen aus unterschiedlichen Beratungsstellen zu multiprofessionellen Teams hat den Beratungsbegriff unscharf werden lassen und verlangt aus schulpsychologischer Sicht nach einer Begriffsschärfung und -klärung. Während Schulpsycholog:innen von einem frei zugänglichen, unabhängigen und ergebnisoffenen Beratungsverständnis ausgehen, sahen sie sich mit aufsichtlichen, kontrollierenden und zuweisenden Aufgaben im ZfsB wie in ReBUZ konfrontiert. Der ehemalige Beratungsdienst gegen Schulvermeidung z.B. ist kein Beratungsdienst im eigentlichen Sinne. Seine Hauptaufgabe ist die Rückführung von Schüler:innen in die Schule. Beratung ist ein Teil seiner Aufgaben, aber nicht der wesentliche. So stellt sich auch hier die Frage, ob die Einhaltung der Qualitätsstandards der Schulpsychologie bei der Beratung (freier Zugang, Freiwilligkeit, Vertraulichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität) im ReBUZ noch hinreichend gewährleistet ist?
Verständnis von Multiprofessionalität : Wir sind alle Berater und Beraterinnen?
Bei komplexen schulischen Problemlagen einen Professionsmix mit verschiedenen Kompetenzen zur Verfügung zu stellen, ist inzwischen fachlicher Standard. Unterschiede gibt es im Verständnis, wie die Professionen einzusetzen sind. "Wir sind alle Berater:innen", dieser Leitspruch mag einer möglichen internen Hierarchisierung vorbeugen. Wenn aber alle Berater:innen sein sollen, unabhängig von ihrer Grundqualifikation und beruflichen Sozialisation, dann kann das zu Verunsicherungen und Abwertungen führen, letztlich zu einer Deprofessionalisierung. Den Anspruch zu erheben, in allen Fachteams alle Professionen vertreten zu haben, mag auf den ersten Blick einleuchten. In einer Beratungssituation allerdings ist bei einer Beratungsanfrage die individuelle fachliche Kompetenz entscheidend, die Problemlage zu erkennen, die entsprechende Diagnostik vorzuhalten und notwendige Beratungsschritte einzuleiten. Man sollte sich vor Augen halten, dass nicht jede alles kann, dass in der Ergänzung die Stärke liegt. Für Außenstehende sind die verschiedenen Professionen zudem auch nicht mehr erkennbar. Die Homepages der einzelnen ReBUZ-Einrichtungen geben auch keinen hinreichenden Aufschluss mehr. Gerade im schulischen Kontext wünschen sich Lehrkräfte oft noch einen anderen Blick auf das Geschehen durch eine andere Profession. Wenn die Lehrkraft oder der Erziehungsberechtigte nicht weiß, aus welcher professionellen Sicht ihr jemand als Berater:in gegenübersitzt, kann Vertrauen in die neu gegründete Institution verspielt werden.
Kein originäres Aufgabenfeld mehr für die Schulpsychologen
Mit der Einführung des multiprofessionellen Ansatzes besitzen die Schulpsycholog:innen kein originäres Aufgabenfeld mehr. So sind beispielsweise nebeneinander Schulpsycholog:innen und Lehrkräfte mit Spezialkompetenz zuständig für den Bereich "LRS", wenn auch ihre Vorgehensweisen unterschiedlich sind. Ebenso sind Unterschiede im Vorgehen zu erwarten, wenn es um den Bereich "Verhaltensauffälligkeiten" geht; eine Lehrkraft, eine Sonderpädagog:in oder eine Schulpsycholog:in werden aufgrund ihrer verschiedenen Berufsausbildungen und Beratungsverständnisse den Fokus der Beratung unterschiedlich setzen und möglicherweise unterschiedliche Lösungen mit den Betroffenen entwickeln. Schulpsycholog:innen bringen zudem überwiegend therapeutische Kompetenzen mit ein, die von den Pädagog:innen in der Regel nicht angeboten werden. Allerdings ist die Anforderung der therapeutischen Ausbildung für Schulpsycholog:innen in Bremen in den vergangenen Jahren zunehmend aufgeweicht worden.
Reformbedarf der fachbezogenen Arbeitsorganisation
Die Berater:innen ordnen sich Fachteams und Fachgruppen zu, die den Aufgabenfeldern entsprechen. Schulpsychologische Erfahrungen weisen jedoch darauf hin, dass mit Ausnahme der Feststellung von Behinderungen, die in der Regel schon im Vorfeld der Beschulung festgestellt werden (Bereiche Hören, Sehen, körperliche und geistige Behinderungen), eine klare Zuordnung zu den übrigen Kategorien nicht immer möglich ist. Aus schulpsychologischer Sicht sind schulische Problemlagen überwiegend mehrdimensional bedingt; Verhaltensauffälligkeiten und emotionale Probleme z.B. hängen meist mit Leistungsproblemen zusammen, so dass die interne Aufteilung in spezialisierte Fachteams (Lern- und Leistungsentwicklung, sozial-emotionale Entwicklung u.a.) der Komplexität der Problemlagen nicht gerecht wird und daher in Frage zu stellen ist. Eine Berater:in, die für Leistungsschwierigkeiten zuständig ist, muss in seinem diagnostischen Prozess immer auch das Verhalten der Schüler:in innerhalb und außerhalb der Schule im Blick haben, um zu einer umfassenden Einschätzung der Problematik zu gelangen. So wichtig die fachliche Spezialisierung auf Teilbereiche im Lernen oder Verhalten auch sein mag, sie ersetzt nicht die umfassendere Beratungskompetenz. Insofern ist es angeraten, die Einteilung in so stark aufgesplitterte Fachteams und Fachgruppen zu überprüfen und ggf. zu verändern. Damit einher geht auch die Frage nach einer Fachaufsicht, die in der Lage ist, fachlich angemessen auf die Wahrung von Qualitätsstandards zu achten.
Eingeschränktes Elternrecht auf eine unabhängige, neutrale Beratung
Zu Zeiten des Schulpsychologischen Dienstes hatten die Eltern das Recht, ein schulpsychologisches Gutachten einzufordern, wenn sie Zweifel am Vorgehen und der Entscheidung der Schule hatten, ein sonderpädagogisches Gutachten für ihr Kind in Auftrag zu geben und ggf. die Zuweisung zu einem Förderzentrum einzuleiten. Das schulpsychologische Gutachten sollte ihnen aus einer anderen als der pädagogischen und sonderpädagogischen Sicht Anhaltspunkte an die Hand geben, eine Entscheidung über die weitere schulische und persönliche Entwicklung ihres Kindes zu treffen. In der Vergangenheit gab es Fälle, in denen die fachlichen Gutachten (sonderpädagogisches und schulpsychologisches) stark differierten und die Eltern mithilfe des schulpsychologischen Gutachtens die Zuweisung ihrer Kinder an Förderzentren umgehen, bzw. andere Wege der Unterstützung für ihr Kind finden konnten. Im inklusiven System wird es nicht mehr die Zuweisung zu Förderzentren gegen den Willen der Eltern geben; Interessenskonflikte wird es hingegen immer geben. Mögliche Zuweisungen zu schulersetzenden Massnahmen in die ReBUZ, die nach §55 Abs. 4 BremSchulG möglich sind, mögen nicht immer im Einklang mit den Vorstellungen der betroffenen Schüler:innen und deren Eltern sein, so dass Konflikte vorprogrammiert sind. Den Eltern ist in diesen Fällen eine unabhängige, neutrale Anlaufstelle verloren gegangen.
Einschränkung der schulsystembezogenen Beratung
Schulsystembezogene Arbeit wie z.B. Supervision oder Mitarbeit bei der Lehrerfort- und -ausbildung, jahrzehntelang Arbeitsfeld der Schulpsychologie, sind im ReBUZ nicht mehr vorgesehen; stattdessen sind diese Aufgabenfelder beim Übergang vom ZfsB im LIS zu ReBUZ in andere Abteilungen des LIS ausgelagert oder ganz aufgegeben worden; d.h. dass z.B. Supervision und Lehrerfortbildung fortan nicht mehr von Schulpsycholog:innen angeboten werden sollen. Blicke in das Aufgabenspektrum schulpsychologischer Dienste in anderen Bundesländern mögen unterstreichen, dass systembezogene Beratung dort überwiegend ein integraler Bestandteil war und ist.
Mangelnde Repräsentanz und Vertretung in der senatorischen Bildungsbehörde
Seit der Auflösung des Schulpsychologischen Dienstes gibt es keine Referent:in mehr in der senatorischen Bildungsbehörde, die für schulpsychologische Belange zuständig wäre. Das neu geschaffene Referat "Schule und Jugendhilfe" ist in sonderpädagogischer Hand. Damit dürfte Bremen zu einem der wenigen Bundesländer gehören, in denen es innerhalb der Behörde keine Vertretung für Schulpsychologie mehr gibt, und das, obwohl die schulpsychologische Beratung im Bremer Schulgesetz in §14 Abs. 2 des Schulverwaltungsgesetzes verankert ist. Wer nicht vertreten ist, wird auch nicht gehört und findet sich auch nicht in Planungs- und Entscheidungsprozessen wieder, so die Erfahrung. Aus schulpsychologischer Sicht ist es fraglich und verwunderlich, dass die Bildungsbehörde in Bremen keine Notwendigkeit sieht, psychologische Kompetenz in die Planungs- und Entwicklungsprozesse der Bremer Bildungspolitik einzubeziehen.
Gefahr des Namens-, bzw. Identitätsverlustes
Zu guter Letzt mag es tragisch anmuten, dass bei den Neugründungen des "Zentrums für schülerbezogene Beratung" (ZfsB) und der "Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren" (ReBUZ) die Schulpsychologie namentlich nicht mehr erwähnt wird. Der "Schulpsychologische Dienst" oder die "schulpsychologische Beratungsstelle" waren und sind noch heute in der Öffentlichkeit durchgängig bekannte Begriffe. Sie von der Bildfläche verschwinden zu lassen, vergibt die Chance, die Diversität verschiedener Kompetenzen für den schulischen Beratungsbereich zum Ausdruck zu bringen und eine Tradition zu wahren.
[^1] Maria Marschner, Zwei Jahre Schulpsychologischer Dienst in Bremen, in: Bremer Schul- blatt 1966, S. 63.
[^2] Vgl. weitere Ausführungen von Birgit Muhl, Entwicklungslinien der Schulpsychologischen Beratungsdienste in der Stadtgemeinde Bremen – Ist die Schulpsychologie in Bremen ein Opfer des Reformeifers der Bildungsbehörde geworden? Bremen 2022.
[^3] Vgl. §11 Aufgaben der Beratung, in: Bremisches Schulverwaltungsgesetz (BremSchVwG), Teil 1 Schulverwaltung 2. Abschnitt, Beratungsdienste im Schulwesen, 1978
[^4] Vgl. ausführliche Darstellung von Birgit Muhl, Bremen weiterhin im Reformeifer: Die Errichtung von Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) und regionalen Beratungs-und Unterstützungszentren (ReBUZ)
[^5] Konzept ReBUZ auf der Webseite ReBUZ Bremen, S. 4
[^6] Vgl. ausführliche Darstellung von Birgit Muhl, Bremen weiterhin im Reformeifer: Die Errichtung von Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) und regionalen Beratungs-und Unterstützungszentren (ReBUZ), Bremen 2022, S. 7
[^7] Vgl. Gutachten von Klaus Klemm und Ulf Preuß-Lausitz, Gutachten zum Stand und zu den Perspektiven der sonderpädagogischen Förderung in den Schulen der Stadtgemeinde Bremen, 2008, Kapitel 4, 6 und Zusammenfassung.
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